Bleib für immer!: Roman (German Edition)
bestimmt und freundlich zu klingen, auf keinen Fall verzweifelt. »Wir müssen uns um deine Frisur kümmern. Jetzt sofort .«
Sie nimmt mich kaum zur Kenntnis und wendet sich dem Handwaschgel zu.
»Also gut, wer möchte wie ein Model aussehen?«, frage ich, um sie nur irgendwie gefällig zu stimmen.
»Ich!«, schreit sie und springt auf. »Ich will Model werden, wenn ich groß bin.«
Ich kann mein Glück kaum fassen. Letzte Woche war es noch Meeresbiologin.
Ich binde Pollys weiche blonde Locken zu zwei Zöpfen, füge eine Auswahl an Glitzerspangen hinzu und sehe auf die Uhr. Noch dreiundzwanzig Minuten. Mein eigenes Kleid hängt noch an der Zimmertür, und das Einzige, was ich bisher an Schminke im Gesicht habe, ist Abdeckstift, um den Pickel auf meinem Kinn zu übermalen.
Ich komme zu dem Schluss, dass die beste Taktik sein wird, mich selbst in Windeseile zurechtzumachen, um danach der Braut in ihr Kleid helfen zu können.
Also gehe ich ins Bad, hocke mich auf den Rand der Luxuswanne und widme mich mit der Präzision einer Dreijährigen in einem expressionistischen Malwettbewerb meinem Make-up.
Als ich fertig bin, schnappe ich mir mein Kleid und ziehe es sehr vorsichtig über den Kopf, um bloß keine weißen Deo-Spuren zu hinterlassen. Dann nehme ich das Ergebnis im Spiegel in Augenschein.
Nicht schlecht. Nicht unbedingt J-Lo, aber nicht schlecht.
Das Kleid schmeichelt meiner Figur, und das ist immer ein Pluspunkt, wenn einen die Natur mit einem klassisch englischen Körperbau ausgestattet hat. Nicht, dass ich dick wäre. Insgesamt gesehen ist mein Gewicht sogar nahezu im Durchschnitt. Nur sehen meine obere Hälfte (flache Brust) und die untere (großer Hintern) so aus, als gehörten sie zu zwei unterschiedlichen Menschen.
Mein schulterlanges, von Natur aus aschfarbenes Haar ist dank exzessiven Einsatzes von Blonde Spray beinahe blond, seit geraumer Zeit noch gesteigert von professionellen Strähnchen.
Heute wurde es umständlich zu einem »natürlichen« Look gekringelt – Verzeihung: verwuschelt -, wozu exakt zwei Stunden fünfzehn Minuten und genügend kostspielige Haarpflegeprodukte erforderlich waren, um eine Vogelscheuche zu toupieren. Und trotz der planlos aufgetragenen Schminke und dieses blühenden Pickels bekomme ich allmählich das Gefühl, dass ich mich heute durchaus sehen lassen kann.
Als ich das Bad schon wieder verlassen und mich um Grace kümmern will, fällt mein Blick auf meine Handtasche neben dem Waschbecken und ich stelle fest, dass ich etwas vergessen habe. Etwas Entscheidendes. Etwas, das meinem Look definitiv den letzten Schliff geben wird. Meine Silikon-BH-Einlagen Typ »Hühnerfilet«.
Wirkungsvoller als ein Wonderbra und mit 49,99 Pfund deutlich günstiger als eine Operation. Sehnlichst habe ich auf eine Gelegenheit gewartet, sie auszuprobieren. Ich schiebe sie mir vorne ins Kleid und drapiere sie an die richtige Stelle. Dann drehe ich mich zum Spiegel um.
Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.
Auf das Cover der Praline würde ich es immer noch nicht schaffen, aber es ist eine eindeutige Verbesserung gegenüber dem, was Mutter Natur mir geschenkt (oder besser gesagt: nicht geschenkt) hat. Gerade will ich Grace meine neuen Aktivposten vorführen, als ein Schrei aus dem Nebenraum ertönt.
Die Braut steht kurz vor dem Explodieren.
3
D IE SCHOKOLADENTÄFELCHEN sind was?«, kreischt Grace, den Telefonhörer panisch umklammert.
»Geschmolzen?« Ihr Gesicht wird noch röter. »Wie können sie denn schmelzen?« Sie legt sich eine Hand an die Stirn.
»Okay, wie schlimm ist es? Ich meine, sind sie noch in Herzform?« Pause.
»Mistmistmist!« Sie knallt den Hörer auf. Aua.
»Angeblich sehen sie jetzt aus wie aus dem Katzenklo gefischt«, berichtet sie trostlos. »Ich habe nicht den blassesten Schimmer, wo mein Diadem ist. Hat jemand mein Diadem gesehen? O mein Gott, jetzt hab ich das auch noch verloren.«
»Nein, hast du nicht«, versuche ich zu beschwichtigen. »Es muss hier irgendwo sein.«
Wobei wir ein Satellitennavigationssystem brauchen werden, um es aufzuspüren.
»Mami«, verkündet Polly, »ich hab keine Unterhose an.«
Grace lässt sich aufs Bett plumpsen. »Das ist ja super. Ich heirate in ungefähr fünfzehn Minuten. Ich habe ein Loch im Strumpf, finde mein Diadem nicht, habe gerade einen Streifen von der Bräunungscreme auf meinem Knie entdeckt, und jetzt bin ich offenbar auch noch unfähig, meine Tochter vernünftig anzuziehen. Nicht nur laufe ich
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