Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
die Eisenbahn verkaufen willst oder nicht. Meinen Standpunkt kennst Du ja (siehe oben) nun und vorsichtshalber füge ich eine Adresse bei, wo Du wegen des Verkaufs hinschreiben sollst. Es handelt sich hier um einen Bitterfelder Feinkostwarenhändler. Der kann gut bezahlen und vielleicht erwischst Du ja nebenbei noch was. Den letzten Sonntag ohne mich rackere Dich nur nicht zu sehr ab, sondern aale Dich recht. Ich gehe mit Hans-Georg Ziemer in einen Märchenfilm. Recht viele Grüsse und drei Süsse und behalt recht lieb
Deinen Hans.
Köslin, den 18.12. 41
Lieber armer kleiner Strolch!
Gerade kurz vor Beginn unserer Weihnachtsfeier wurde mir Mutters Brief übergeben und nun habe ich mich fortgestohlen, um Dir gleich ein paar Zeilen zu schreiben, die ein Kamerad, der heut nacht auf Urlaub nach Leipzig fährt, dort gleich in den Kasten stecken wird. So wirst Du den Brief gleich am Sonnabend erhalten. Armer kleiner Hase, wie hat man Dir wieder übel mitgespielt und verwünsche ich es, dass ich jetzt hier sitze und Dir nicht gleich Genugtuung verschaffen kann. Ich weiss und fühle mit Dir, wie bitter weh so was tut und werde ich von hier aus morgen sofort an die Personalabteilung von Stöhrs schreiben, damit Du zu Deinem Recht kommst. Bitte unternimm nichts weiter, sondern sag dort, dass Dein Mann das Weitere veranlassen wird. Es hat für mich keinen Zweck, mich mit Eurem Küchenchef auseinander zu setzen, sondern für mich ist die Personalabteilung massgebend und wenn diese nicht eingreift, dann werde ich weitere Schritte unternehmen. Dich bitte ich aber recht herzlich, nimm es nicht schwer, denn wir wissen ja, wer es gesagt hat und von so einer Person kann einem nichts weh tun. Freilich auch ich wäre an Deiner Stell mit Recht ausser mir, aber kleiner Strolch, diese Person ist es wirklich nicht wert. Ausserdem machst Du Dich doch nur noch krank und Du willst mich doch nicht damit überraschen, dass ich Dich Sonntag über acht Tage krank vorfinde. Jedenfalls machst Du es so, Du gehst am besten zu Frau Dr. Weise und lässt Dich krank schreiben und meldest das Eurem Küchenchef mit dem Zusatz, dass ich die ganze Sache in die Hand genommen hätte. Morgen schreibe ich bereits an Stöhrs und bitte ich Dich, diese unselige Geschichte zu vergessen und Dich wieder recht auf mein Kommen zu freuen. Ich habe nun den ganzen Abend an Dich gedacht und hoffe, dass Du nun nicht mehr darüber grübelst, sondern mir zuversichtlich alles überlässt. Lass Dich aber krank schreiben, hörst Du, damit Du dort drüben Dich nicht noch mehr krank machst. Ich will doch meinen kleinen Kameraden gesund und munter antreffen, aber ich will so lieb zu Dir sein, dass Du alles vergisst. Nun kann ich Dir gleich noch eine freudige Mitteilung machen, Herr Ziemer hat aus Brüssel geschrieben, dass er mir noch das Gewünschte besorgt hätte und das es bereits auf dem Wege nach Köslin wäre. Du wirst Dich bestimmt darüber freuen, kleine Lenifrau, und sehe ich schon Dein überraschtes Gesicht vor mir. Ich hoffe auch, dass Du Dir noch den Hut holst, denn das soll ja auch ein Weihnachten von mir sein. Heute kam auch von Deiner Mutter ein sehr lieber Brief, über den ich mich so gefreut habe.
Nun habe ich nochmals den, das heisst meinen Brief durchgelesen und ich finde, dass meine Worte und mein Trost doch nicht ganz das ausdrücken, wie ich es meine, aber kleine Lenifrau, Du wirst spüren, dass ich den Wunsch habe, Dich nicht nur zu trösten, sondern dass auch ich alles tun werde, was erforderlich ist, um Dich in Zukunft vor derartigen Verdächtigungen zu schützen. Und nun bitte ich Dich nochmals, lass den Kopf nicht hängen, denn dazu hast Du keine Ursache. Denk da mit an unser Kind, denn Du hast mir ja selbst geschrieben, dass solche Gemütsstimmungen bei Deinem Zustand nicht gut sind. Mit meinen Gedanken, kleiner Hase, bin ich immer bei Dir und sollst Du den Kopf nicht hängen lassen, denn Du wirst bestimmt noch Dein Recht bekommen. Nun denk nicht mehr daran, sondern aal Dich Sonnabend und Sonntag zu Hause und gehe nicht eher wieder ins Geschäft, als bis ich mit Dir persönlich gesprochen habe. Ich muss nun schliessen, denn die Urlauber machen sich bereits fertig und der Brief soll doch mit weg. Dir in aller Liebe recht viele herzliche Grüsse und Küsse.
Dein Dich von Herzen liebhabender Mann.
Denk daran, noch acht Tage und ich werde Dich ganz fest an mich drücken und ich hoffe, dass Du Dich schon jetzt trotz der räumlichen Entfernung
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