Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Strümpfe stopfen und am Sonntag gehe ich mit Mutter, Vater und Elli in ‘Feierabend für Jedermann’ ins Central Theater, und damit bricht die letzte Woche an, die mich noch von Dir trennt. Ich habe ja so große Sehnsucht, und habe nur immer alle meine Gedanken bei Dir. Du mußt das doch eigentlich spüren oder zumindest dauernd Ohrensausen haben. Nun bekommst Du aber wirklich nur noch einen Brief, und zwar werde ich den am Sonntag schreiben und dieser soll dann Dein Weihnachtsbrief sein und zum Lesen für Mittwoch abend gedacht. Ist dann das Weihnachtspaket schon angekommen, und wie steht es mit dem Adventspaket vorher? Hast Du da nun schon was gehört?
Im Geschäft habe ich wieder schweren Ärger gehabt. Aber dies hat Dir ja Mutter schon geschrieben. Ich hätte Dir eigentlich sonst nichts davon geschrieben, denn Du sollst Dich nicht auch noch damit belasten und Dich rumärgern. Ich hatte mich furchtbar aufgeregt darüber und bin am Montag schon ½ 10 nach Hause denn ich war nicht mehr fähig zum Arbeiten. Heute bin ich nun noch mal zur Frauenobmännin hin und habe ihr erklärt daß, wenn die Firma nichts dagegen tut, ich mich an die DAF 9) wende. Darauf bat sie mich dies zu unterlassen (vorläufig), sie hätte es schon an den Personalchef Diermann weitergegeben, und sollte Jule nun endgültig aus der Küche, es müsse sich nur erst ein Platz für ihn finden. Sie wolle heute nochmals mit Diermann darüber sprechen, falls sie nichts tun würden, müßte sie an die Arbeitsfront ran gehen, denn sie bestünde darauf. Auch wolle sie darauf drücken, daß sie sich in aller Form schriftlich oder mündlich entschuldigt. Ich habe ihr nun gesagt daß, wenn ich bis zum neuen Jahr nichts Positives habe oder weiß, ich nicht garantieren kann, ob Du Dich nicht weiter wenden würdest. Ist doch eine bodenlose Unverschämtheit, und muß der Person mal gründlich das Maul gestopft werden. Sie hätten immer Hedwig im Verdacht gehabt, jetzt wüßten sie aber wenigstens wer das ..... ist. Heute war ich auf der Bezugsscheinstelle nach meinem Mantel. Habe dort auch gleich mal wieder geheult, denn mein Mantel ist mir abgelehnt worden. Ich habe ihnen Bescheid geflüstert. Erst wünscht der Staat daß man Kinder in die Welt setzt, und dann wird nicht mal dafür gesorgt, daß man was anzuziehen hat. So etwas soll es erst nach dem siebenten Monat geben und bis dahin kann ich vielleicht per Taille gehen, denn ich platze mir jetzt schon fast die Knopflöcher vom grünen Mantel weg. Ich habe ihnen auch gesagt, daß ich unter diesen Umständen nicht mehr ins Geschäft gehen kann. Aber was will man machen, ich brauche doch das Geld jetzt. Ist doch wirklich eine große Schweinerei, da soll einem in solchem Zustand und als Soldatenfrau jede Unterstützung und Hilfe zuteil werden und wie sieht die Wirklichkeit aus? Es wird einem in jetziger Zeit wirklich nicht leicht gemacht, und will ich so froh sein wenn ich Dich, wenn auch nur für kurze Zeit, wiederhabe. Ich gebe mir Mühe, und will nicht immer an das Schlechte denken, sondern möchte an Schönem mich freuen und vor allen Dingen auf unser Kind freuen. Heute hat mir Frau Berthold grüne Wolle besorgt, und will Grete mir ein Jäckchen und Mützchen stricken. Es ist dies das erste dann, was ich dazu habe. Heute muß ich beim Schreiben immer mal unterbrechen, denn vom Sender Belgrad bringen sie ein großes Radioprogramm mit ‘Was ist das und von wem?’ Ich rate feste mit und schreibe auf. Mal zum Schluß sehen, was richtig und was falsch ist. Eben spielen sie Ouvertüre von ‘La Traviata’. …. An Erika will ich auch noch mal schreiben, wer weiß ob es nicht der letzte Brief ist. An Maja hättest Du ruhig ein paar Feiertagsgrüße schicken können. Vielleicht schreibe ich ihr einen Weihnachtsgruß. Nur muß ich das eben in Deutsch schreiben, da muß sie es sich eben übersetzen lassen.
Nun will ich aber für heute schließen. Ich wünsche Dir einen recht schönen und angenehmen letzten Sonntag in Köslin, denn nun fängt ja die letzte Woche an, und ich kann es doch kaum noch erwarten. Wie ein Kind auf Weihnachten freue ich mich auf Dein Kommen. Aber wir wollen es uns schön machen.
Und nun Dir viele viele herzliche Grüße und Süße und vergiß nicht
Deine kleine Lenifrau.
Köslin, den 17.12. 41
Meine liebe kleine Lenifrau!
Dir recht vielen Dank für Deinen Brief, aber ausserdem auch noch für die Kontingenterhöhung oder handelt es sich bei den ‘2 (sprich zwo) Süssen’
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