Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
in den Garten gefahren und habe die ersten zweieinhalb Körbe Erdbeeren geerntet. Es sind aber schon eine ganze Menge verfault und können wir jetzt nur trockenes und schönes Wetter gebrauchen. Um 2 Uhr war ich wieder zurück und habe Mutter ein Körbchen mit fünf Pfund mitgebracht, wovon sie dann gleich Marmelade gekocht hat. Dann bin ich wieder mit Heidi draußen rumgetrabt und waren ½ 7 Uhr zurück. Die Eltern sind ins Theater (Zauberinsel) und ich habe bis ¼ 12 Uhr rumgewirtschaftet. Du, Mutter das erste Mal in ihrer neuen Robe. Ist ganz fabelhaft, ordentlich vornehm und elegant sieht Mutter darin aus. Es wird ja auch Zeit, daß sie mal ein hübsches Kleid hat. Gestern früh bin ich wieder in den Garten und habe mit Papa ganz schön gebuddelt. Mein Kreuz tat mir ordentlich weh und dabei habe ich mir meinen Rücken ganz hübsch verbrannt. Erdbeeren haben wir keine abgenommen, das steigt erst heute, kann aber da nicht helfen gehen, denn heute ist Elli da, und Elli und Heidi ist für Mutter zu viel. Am Abend haben wir dann noch mit Lisa und einer Flasche Wein einen ganz gemütlichen Doppelkopf gespielt, so daß der Tag einen festlichen Ausklang gefunden hat – dafür hat der neue weniger hübsch angefangen, denn heute Nacht hatten wir wieder von ½ 2 bis ½ 3 Uhr Alarm. Bei dem Mondschein jetzt können wir nun für die Dauer desselben täglich damit rechnen. Jedesmal, wenn die Entwarnung kommt, muß ich an die vielen Menschen denken, die wieder in der Nacht in grenzenloses Elend gekommen sind. Elli kam erst heute Mittag, hatte frühmorgens wieder einen Anfall und brachte sie Deinen Brief mit. Wenn Heidi jetzt ausgeschlafen hat, wollen wir alle zusammen, auch Vater mit, mal ein Stück an der Pleiße rausgehen, und damit werden die Feiertage auch rum sein, die sich sonst im allgemeinen nicht wesentlich von den anderen Tagen abgehoben haben. Ich habe von Mutti eine Erdbeertorte geschenkt bekommen, sonst hätte ich nicht mal einen Kuchen für mich gehabt. Wenn bloß der Zucker nicht so verflixt knapp wäre. Für jetzt mal Schluß, mal sehen, wann ich weiter schreiben kann.
Am Abend des zweiten Feiertages
Nun kann ich heute doch fertig schreiben. Ich bin heute Nachmittag doch noch mal in den Garten gefahren, denn das Baro war ganz gewaltig gefallen. Und ich war noch nicht mal draußen, als es schon regnete. Lisa war zu Hilfe gekommen. Die Ernte war aber nicht so, wie man gedacht hatte. Vier Körbe. Auf drei Familien verteilt, ist das gar nichts. Es verfault enorm viel. Habe dann noch von Mutti eine Tasse Bohne bekommen, was mal wieder ein Genuß war. Vater war mit Mutter, Elli und Heidi allein spazieren an der Pleiße lang, und sind alle ganz schön eingeweicht worden. Der Juni verregnet in diesem Jahr vollkommen, auch jetzt sieht es noch ganz trostlos grau draußen aus. Heidis Impferei ist nun glücklich überstanden und ist sie nun wieder unser altes Kerlchen. Jetzt hat sie ihre Gehversuche erweitert, und hat schon mehrfach drei Schrittchen gemacht. Dauernd will sie ‘steig steig’ machen und es ist zu drollig, wenn sie die Treppen aufsteigt. Dauernd geht es ‘papap papap’. Alter Lumisch, Du wirst Deine helle Freude an ihr haben, und wird Dein Urlaub hier mehr als ausgefüllt werden. Dieser Tage habe ich ihr zweites Nachthemdchen fertig und sieht es ganz goldig aus. Du, ich habe mich doch noch gar nicht für Deinen lieben Pfingstbrief bedankt, der gestern ganz pünktlich eintraf. Auch Mutter und Mutti haben ihren erhalten, und soll ich Dich von Mutti und Papa recht herzlich grüßen, und lassen sie Dir für Deine lieben Zeilen recht herzlich danken. Ja, kleiner Mann, ich bin oft recht froh, wenn unsere Mütter mal ein bißchen zuversichtlich sind, oft bin ich auch recht ungenießbar, und ich könnte mich darüber schwer ärgern, kann doch aber nicht aus meiner Haut heraus. Man müßte viel ruhiger und ausgeglichener sein, vielleicht kommt das erst mit zunehmendem Alter. Was meinst Du darüber? Der Staat mit meinem neuen Rock wird vielleicht nicht so groß werden, denn gepasst hat er nicht und Papa hat ihn wieder mitgenommen. Wer weiß, wann ich ihn nun wiederbekomme, denn Papa hat auch mehr wie zu tun, und von meinem Dirndl ist bereits die Bluse kaputt. Hoffentlich bekomme ich meine zwei neuen Kleider aus Saaz bis dahin. Du – ich halte es für selbstverständlich, daß Du in Deiner ‘1.’ erscheinst, bedarf doch gar nicht erst der Rede. Das Telegramm aus Budapest war ein Glückwunsch, und schrieb sie
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