Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
noch, daß ein Brief unterwegs sei. Ich muß ihnen auch mal schreiben, so lange sie weg sind, habe ich mich noch nicht gerührt. Sag mal, hast Du den ‘Zigeunerbaron’ noch nicht gesehen? Ich verstehe nicht, wie Du schreibst daß Du es dabei immer nur bis zum ersten Akt gebracht hast. Oder hat es Dir nicht gefallen und bist Du gerückt? Das könnte ich allerdings nicht verstehen. Du, ‘Ferien vom ich’ wären prima, manchmal habe ich gar kein ‘ich’ mehr. Ich glaube aber, das ist bei allen Müttern so, beim Kind hört das ‘ich’ auf und an seine Stelle tritt das ‘du’. Manchmal bin ich so verdreht, daß ich mir vorkomme, als ob ich ein bissel gelitten hätte. Aber ohne Heidi irgendwo hin fahren, hätte ich gar keine innere Ruhe und wär ich nichts ge.... Nächstes Jahr wird Heidi sauber sein, so daß man dann mit ihr mal wegfahren kann, vorausgesetzt daß ...... Aber Du wirst vernünftig genug sein, und in diesen ungewissen Zeiten Dir das reiflich überlegen, ich finde das dann verantwortungslos. Sobald die Zeiten mal wieder sicherer sind, möchte ich sofort noch ein Kind, wenn man dann nicht mehr zu alt dazu ist. Es ist leider so, daß das nicht allein bei uns liegt. Du verstehst mich, ja kleiner Mann. Mutter ist doch wegen ihrem Unterleib bei Frau Dr. Weise gewesen, außerdem sieht Mutter nicht gut aus. Es wird dies nichts Bestimmtes sein, sondern eine Folge der ganzen Zustände. Sie könnte viel ruhiger leben, wenn nicht die dauernden Aufregungen mit Elli wären. Mutter lebt da immer in 1000 Ängsten, und hätte sie es doch so verdient, wenn sie ein bissel mehr Ruhe hätte. Sie hängt so an Heidi, und umgekehrt auch, so daß ich oft recht eifersüchtig werde und manchmal glaube, ich käme erst bei ihr an zweiter Stelle. Du, in jedem älteren Mann sieht Heidi jetzt einen Opa, manchmal muß ja auch ein Junger mit dran glauben. Dann schreit sie ganz laut ‘Opa, Opa’ und zeigt mit dem Finger, und wehe, wenn derjenige nicht hört, dann brüllt sie, als ob sie Taube vor sich hätte. Sie entwickelt wirklich eine ganz schöne Stimme. Butter und Käse ist angekommen, das hatte ich Dir doch schon mitgeteilt, und folgt heute das Geld dafür mit. Meine Butter ist schon alle, dabei habe ich nicht mal ein dickes Butterbrot gegessen, denn ich brauche jetzt viel für Heidi, denn früh bekommt sie jetzt schon geschmiertes Brot, und ans Mittagessen bekommt sie ja auch Butter. Aber es hat doch wenigstens mal ein Stück geholfen, denn ich saß mehr als in der Klemme; also nochmals 1000 Dank, kleiner Mann, Käse war ein Genuß. Sieh nur zu, daß es bald mit dem Urlaub klappt, vielleicht gibt es dazu doch noch paar frische Erdbeeren. Sag, käuflich kannst Du keine Flasche Wein erstehen, ja? Du, das hattest Du mir schon mal geschrieben, daß Du nun drei Jahre beim Militär bist. Ich habe es nicht vergessen, und werde auch nie den 5. Juni 1940 vergessen. Das ist doch aber kein Grund zum Gratulieren, oder hast Du das vermißt?
‘Meine Freundin Josefine’ haben wir doch zusammen gesehen? Oder nicht? Mir hat es auch ganz prima gefallen. Auch ich werde am Donnerstag mal wieder ins Kino gehen, und zwar in ‘Meine Frau Teresa’. Meine Gratulation zu Deiner neuen Errungenschaft von drei Dohlen. Die müssen Dich doch auch über manch trübe Stunde hinbringen, und werden Dir auch bestimmt viel Spaß machen. Wenn sie nun ausgewachsen sind, fliegen die da davon? Wie waren bei Dir denn nun die Feiertage? Hast Du recht geschlemmt, und warst Du mal aus? Sieh nur zu, daß Du bald jemand einarbeiten kannst, denn ich habe große Sehnsucht nach meinem Lumisch. Du, soll ich Dir noch 100 M außerdem hinschicken, damit Du viel mitbringen kannst. Lisa läßt Dich bitten, wenn Du ihr mal wieder was schickst, entweder an Lisa Jentzsch oder an Lisa Kunad bei Jentzsch in die Nürnberger zu schicken. Mutter Kunad hat doch nun auch 40 M gegeben und will Butter haben. Soll nur warten, bis wir mal sehr viel übrig haben.
Für heute will ich nun mal schließen, hoffentlich bist Du mit diesem Brief ein bissel besser zufrieden, obwohl ich wieder eine Menge wirres Zeug geschrieben.
Nun nimm wieder viele viele Grüße und einen schönen Kuß auch von Deinem Heidikind
Deine Leni.
Grüße von den Eltern.
O.U., den 17.6. 43
Meine liebe kleine Lenifrau!
Für Deinen lieben ‘Stotterbrief’ recht vielen Dank und muss ich sagen, dass mir diese Art von Briefen sehr sympathisch sind, da sie immer etwas länger geraten als die gewöhnlichen
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