Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
weit fort und ich hab bis morgen Abend Dienst, aber der 30jährige Krieg hat auch mal sein Ende gefunden, ist doch ein netter Trost, nicht?
Wie war es denn in der Operette ‘Die Frau ohne Kuss’? Wenn der Titel geheissen hätte ‘Die Frau mit einem Süssen’ hätte ich gemeint, die übertriebene Sparsamkeit wäre auf Dich gemünzt. Dafür schicke ich Dir heute viele Süsse und recht viele liebe Grüsse auch an den kleinen Strolch und recht gute Erholung.
Dein Dichliebender Hans.
Mühlhausen, am 8.9. 1943
Mein lieber alter Strolch!
Deinen lieben Brief vom 3.9. habe ich heute morgen erhalten und danke ich Dir wieder sehr. Sag, inzwischen mußt Du doch nun mit diesem drei Briefe von hier bekommen haben, und außerdem zwei von Mutter. Ich schätze, daß Du diese nun endlich erhalten hast. So schnell wie von und nach Leipzig geht es aber doch nicht. Kuchen gibt es hier überhaupt nicht, da kannst Du beruhigt sein (Eben sagen sie unten, daß Stalino geräumt ist, wo soll das bloß hinführen?). Und ... Semmeln gibt es auch nur sonnabends. Also leichtsinnig kann man nicht werden. Auch den Kuchen, den es in Elster gibt, ißt man nur einmal. Wie wir wohnen, haben wir Dir ja geschrieben, und auch das Essen ist gut. Man wird wenigstens satt und ist auch nicht teuer. Gestern gab es rohe Klöße und Soße. Habe vier Stück gegessen und Vater fünf. Heute Pellkartoffeln, Sauerkraut und Fleischklößchen. Heidi ißt meist dasselbe wie wir und hat sie gestern ihren ersten rohen Kloß verdrückt. Sie hat hier eigentlich immer Hunger und wird allgemein der Papab genannt. Denn immer geht es ‘babab, gomm’, und dabei will sie auch tüchtig mit trinken. Es ist eben wirklich ein Jammer, daß Du das nicht miterleben kannst, wie sie hier rumkraxelt. Aber weißt Du, unsere erste gemeinsame Ferienreise machen wir doch wieder an die See. Und in die Berge erst, wenn Heidi keinen Wagen mehr braucht, denn es ist oft eine tüchtige Schinderei. Das Wetter ist schon so wie bei Euch auch. Früh immer neblig und sehr frisch und nachmittags schön. Nur heute hat es mal wieder zur Abwechslung gegossen. Da gehe ich eben mit Heidi auf den Bahnhof, denn da gibt es immer zu schauen. Sie hat doch hier schon allerhand gelernt. Z.B. ‘Tutut’ und oft gleich hinterher Papa, also denkt sie sich doch, daß man mit der Tutut zum Papa fahren kann. Dann noch ‘Muh’, für die sie eine große Liebe hegt. Dann folgen ‘Fietz’ (Miez), ‘babbabb’ ist so gut wie ‘Putput’, und dann hat sie noch das ‘Auto’ kennengelernt. Doch ein ganz schöner Fortschritt. Da hast Du ja Glück gehabt, daß Du den Fußmarsch nicht mitzumachen brauchtest. Aber ich glaube, ich kann mir die Frage sparen, ob Du schon zu einer Untersuchung warst. Denn es ist bestimmt nicht der Fall. Ich höre Dich schon ‘Nächste Woche ganz bestimmt’. Ist immer dasselbe und hörst Du ja nie. Im Kino waren wir hier noch nicht, werden wohl auch kaum reinkommen. Aber gestern war ich mit Vater zum Konzert im Kurhaus. Du, ganz fabelhaft. Ein Bau und Einrichtung, daß es Dich hinlegt. Auch die Musik wirklich gut. Heute Abend ist Vater mit Mutter ins Theater. Nur die halbe Stunde Heimweg ist dazu nicht schön. Morgen gehe ich nun ein Sprudelbad nehmen. Mutter war gestern und soll es ein Genuß sein. Freue mich schon sehr darauf. Dein Kaffeepaket ist angekommen, Frau Kühn hat es aufgemacht. ... Gretel kann mich leider nicht besuchen, da sie jetzt in Teplitz in der Klinik liegt. Aber wenn sie dort raus ist, will sie dann mal kommen, evtl. nach Leipzig. ... Heute schicke ich Dir mal wieder 150 M. Die genaue Abrechnung über alles folgt, wenn Du das ganze Geld wieder hast. Vielleicht klappt es wieder mit Butter, so daß wir was haben, wenn wir wieder daheim sind. Im nächsten Brief dann mehr Geld. Für heute nun gute Nacht, mein großer Strolch, behalt uns lieb und nimm viele herzliche Grüße und Süße
von Deinem kleinen Strolch und Deiner Lenifrau.
Gruß von den Eltern.
O.U., den 8.9. 43
Meine liebe kleine Lenimaus!
Heute kam Dein lieber Brief vom 5.9. an und habe ich mich wieder sehr über Deine lieben Zeilen gefreut. Ehe ich ihn öffnete, habe ich erst lange gerätselt, was wohl in dem Brief mit drinnen sein könnte, denn er war dick und angeschwollen und als ich ihn öffnete, was entdeckte ich da, Deinen dicken ‘Süßen’, für den ich Dir noch besonders danken muss, er war nicht ganz so süß wie die letzten, aber dafür umfangreich und gehaltvoll. Man merkte es
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