Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
die Kapelle im Hintergrund an ‚Die Himmel rühmen‘. Dann kam die übliche Ansprache des Betriebsführers mit verschiedenen Überreichungen, und dann spielte wieder die Musik ihr Lieblingslied ‚Schenkt man sich Rosen in Tirol‘. Da war nun ein allgemeines Geschluchze, nur Frau Helm stand inmitten all der Tränen trockenen Auges da. Dann war die Feier beendet und wir gingen an unsere Arbeit. Dann kamen unsere Soldaten zu mir gratulieren, und es war nur ein Glück, daß unser Chef kein Bier da hatte, sonst wäre ich um eine Rund nicht herumgekommen. Dann hatte ich es natürlich furchtbar eilig mit meiner Arbeit, daß ich nach Hause kam, und so traf ich schon an der Ecke mit Tante Anna und Tante Gretchen zusammen, beide mit einem großen Fliederstrauß bewaffnet. Das zeitige Kommen paßte mir ja nicht so recht, denn ich hatte mich ja so auf ein ruhiges Lesen Deines Geburtstagsbriefes gefreut, und so habe ich mich wie ein Dieb aufs Klo geschlichen und auf der Brille Dein Schreiben gelesen. Schramms brachten mir eine Kuchengabel, einen Satz sehr hübsche Porzellanschüsseln und ein wunderschönes ..... mit. Ich habe mich sehr darüber gefreut, zumal ich gesehen habe, daß sie, wohl das erste Mal, mit Liebe und Überlegung geschenkt haben. Mutter hatte mir den Tisch sehr hübsch fertig gemacht, Deine Garnitur, die ich Dir wohl persönlich vorführen muß, hingelegt, desgleichen zwei Stöcke ..... von Mutter, mein neues Kleid, ein Paar Strümpfe und auch zwei Stöcke Balkonblumen und von Elli auch von der Sorte zwei Stück, eine Nagelschere (aber für mich!) und ein Taschentuch. Ich habe mich wirklich riesig über alles gefreut und danke Dir von ganzem Herzen dafür. Als nächste Gratulantin kam Helenchen mit einem Blumenstrutz und brachte mir ‚Die Barrings‘ mit. Ich hätte mich laut freuen mögen, zumal Lisa nachher noch mit ‚Der Enkel‘ angetreten kam. Du, da haben wir beide ja wieder ordentlich was zu lesen. Hoffentlich gibt es keinen Krach. Dann kam Lotte und brachte einen hübschen neuen Zigarettentöter und ein sehr nettes Buchzeichen, und den Abschluß bildete Frl. Fuhrmeister mit einer ... Zuckerzange. Ich muß doch ein ganz guter Kerl sein und noch besser gefolgt haben, denn sonst wäre ich doch nicht so sehr reichlich beschenkt worden. Mutter hatte für mich zwei Rhabarberkuchen gebacken, dazu etwas trockenen Kuchen und ich habe noch für jeden eine Tasse guten Kaffee geopfert. Weiter hatte ich nichts, es war aber auch so sehr nett. Und dann habe ich die ganze Meute für den 27.6. zur Erdbeerbowle eingeladen. Ist Dir das recht? Oder willst Du von den vielen Weiblein nichts wissen? Um 8 Uhr habe ich wie verabredet am Kammerfenster gestanden und habe mir von meinem kleinen Mann gratulieren lassen, habe einen festen Händedruck gespürt und dann haben wir uns einen schönen Kuß gegeben. Ich war so fest in Gedanken daß ich Dich richtig sprechen hörte. Gegen ½ 11 Uhr war dann der ganze Zauber vorbei, ich habe alle rausgeworfen, Mutter und ich haben noch aufgewaschen und nach 11 Uhr habe ich dann endlich in meinem Kahn gelegen.
Am Donnerstag haben wir bei Frau Leonhard einen Wäschekorb abgeholt, worin am Tag zuvor sämtliche Blumen und Geschenke transportiert worden waren. Beim Tragen waren beteiligt wir drei Frauen Berthold, Kolbe, Helm und zwei Soldaten. Letztere hatten ein Brot, ein Stück Butter, Klops, Wurst, Fisch, Fleisch mit, dazu gab es noch frische Eier und ein bißchen was zu trinken. Es war wirklich sehr nett und gemütlich. Aber keine Angst, über die Grenze des Erlaubten ist niemand gegangen. Auf dem Heimweg habe ich allerdings mein neues Portemonnaie verloren mit ziemlich zehn Mark Inhalt, und das mußte ausgerechnet mir passieren. Zankst Du da mit mir? Aber ich will Dir doch alles schreiben, und da gehört das nun eben auch dazu.
Nun wäre ich am Ende meines Briefes angelangt. Es wird wohl der letzte sein, denn am Mittwoch bist Du ja dann wieder daheim, und wir können uns alles noch mündlich erzählen. Ich werde einen Rhabarberkuchen backen, und dann werden wir nicht so spät ins Bett gehen und noch recht schön ein bißchen quatschen. Freust Du Dich da? Ich mich schrecklich! Gestern war ich bei Bambergs spielen. Ilse liegt auf dem Diwan und hat sich am Mittwoch beim Turnier kräftig den Knöchel verstaucht. Also werde ich wohl warten müssen, bis mein Strolch wieder daheim ist, damit ich einen Partner zum Spielen habe. Gestern kam der Schnaps in die Nürnberger nebst Zigarren,
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