Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
vom Himmel herunter wollte ununterbrochen bis zum nächsten Morgen. Man mußte sich nur wundern, wo das viele Wasser mit einem Male herkam. Nun ist das Baro wieder ganz schön geklettert, trotzdem es draußen noch ganz grau aussieht, aber vielleicht bekommen wir doch noch schöne Pfingsten. Am Donnerstag habe ich in der Küche Gardinen abgenommen, Fenster geputzt und frische aufgehangen. Gestern bin ich in der Nürnberger gewesen und habe einen Rührkuchen für Mittwoch gebacken. Ja, kleiner Mann, der Mittwoch ist nun also mein Sorgenkind. Ich habe doch so gar keine Lust, weil Du nicht da bist, aber ich muß doch meinen Gästen was vorsetzen. Eingeladen habe ich ja niemanden, Lotte hat sich angekündigt, Lisa und Martin wollen Frl. Fuhrmeister mitbringen, dann der Meister und Helenchen, Helms und vielleicht noch Schramms. Die lade ich dann zu Deinem Geburtstag zur Erdbeerbowle ein, aber am Mittwoch muß ich doch auch was zu trinken vorsetzen, Bier gibt es nicht, ach kleiner Mann, das macht mir schwere Sorgen. Doch nun Schluß mit der Jammerei, mir wird schon noch was einfallen. Am Donnerstag kam übrigens Deine ‘Farbige Front’ zurück. Es brachte der Vater Deines Kameraden, Dein Kamerad selber ist vor acht Tagen weggekommen, Richtung? Vielleicht soll es doch so sein, daß Du gerade dort bist. Und dann noch zum Schnaps. Er ist doch bezahlt, und wir haben bis heute noch nichts davon zu sehen bekommen. Woran kann das liegen? Gestern hat Meyer meine Blumenkästen geschickt, und da will ich nun heute Pflanzen holen. Das kostet auch wieder Geld, wenn das so weiter geht, werde ich wohl kaum zum Verreisen kommen, bleibt dann nur noch das Oberholz.
Am Mittwoch kam ein Brief vom Postsportverein, worin wir feierlich ab 1. Mai aufgenommen sind. Wir müssen nun beide so bald als möglich ein Lichtbild für den Paß einschicken. – Bist Du traurig, daß ich nicht nach Dresden gekommen bin? Aber es hatte wirklich keinen Sinn, Martin und Lisa fahren am Sonnabend hier weg über Dresden nach dem Sudetengau und gleich wieder zurück nach Halle. Wenn Du dann am 2. frei hast, muß ich vielleicht schon um 6 Uhr bei der reichen Auswahl von Fahrgelegenheiten zurückfahren. Dann ist es ja nur noch eineinhalb Woche, und die wird auch noch vorübergehen. Meinst Du nicht auch? Aber tu mir einen großen Gefallen und iß tüchtig. Wo hast Du bloß die fünf Pfund abgenommen?
(Schluß fehlt)
Leipzig, den 2. Juni 1941
Mein lieber alter Strolch!
‘Strahlende Sonn’, kennst Du das Lied? So war bei uns der erste Feiertag. Jetzt am zweiten sitze ich nun früh 8 Uhr nach Kaffeetrinken auf dem Küchenbalkon um mich noch mit Dir ein bißchen zu unterhalten. Ja, so schöne Feiertage hatten wir lange nicht, ich meine natürlich wettermäßig.
Am Sonnabend hatte ich lange zu tun, rumzubuddeln, sauber gemacht, eingeholt, kleinen Kuchen für mich zu backen, dann Blumen in Großzschocher geholt, da war es 5 Uhr. Dann bat mich Mutter mit ihr ins Kino zu gehen, und so wurde am Sonnabend dann nichts aus dem Tennis spielen. Am ersten Feiertag wollte Helenchen rauskommen, und da Bambergs Sonntag nie vor 10 Uhr fertig werden, hatte es für mich auch keinen Sinn mehr zu gehen. Heute habe ich nun versprochen in den Garten zu kommen, also wird auch wieder nichts aus dem Spielen. Gestern habe ich vielleicht mal eine halbe Stunde für mich allein tüchtig hingegrollt. Aber nicht, wenn Du wieder da bist, gehen wir sehr sehr viel spielen, ja? Ich möchte mir mal meine Freizeit so einteilen wie es mir paßt und auf niemand Rücksicht zu nehmen brauchen, ich glaube aber bald, daß ich das gar nicht kann, denn dann hat man wieder immer ein kleines Schuldgefühl in sich. Nun dauert es ja auch gar nicht mehr lange und mein kleiner Mann ist wieder da. Ich hatte ja am Sonnabend eine so große Sehnsucht nach Dir. Ich bin ein richtiges altes großes Kalb, denn heute bin ich doch nun schon 28 Jahre. Das hat aber nichts mit der Sehnsucht zu tun. Gestern bin ich wieder ¼ 7 Uhr munter gewesen, habe mir die Zeitung ins Bett geholt und bis 7 Uhr das kleine Blättchen gelesen. Dann Kaffeetrinken und ein bißchen aufräumen. Mutter und Vater haben eine Landpartie gemacht, und ich habe mir den Badeanzug angezogen und habe mich mit einer alten Schwarte auf den Balkon gelümmelt.
Leni Helm auf dem Balkon in der Steubenstraße 37
Um 11 Uhr hatte ich es dann satt, da mußte ich mir erst mal ein bißchen Bewegung schaffen, habe mein Roß gesattelt, bin ein
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