Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
unser Abendbrot verzehrt. Liegen zu ca. 650 Mann in einer großen Kraftwagenhalle und führen ein richtiges Zigeunerleben. Früh ½ 7 Uhr wecken, und um 9 Uhr Dienst. Eine Stunde Singen im Marschieren. Nachmittag um 2 Uhr Untersuchung. Nicht tropentauglich. ½ 6 Uhr Feierabend, konnte aber vor 7 Uhr nicht weg. Sitze nun mit Kamerad Rempow am Bahnhof. Nur bis 10 Uhr Ausgang und damit man aus der Scheune wegkommt, sind wir in die Stadt auf eine Stunde gefahren. Was nun wird, ist noch nicht raus. Schreibe Dir übermorgen wieder. Hier kann man nicht richtig in Ruhe schreiben. War denn Lotte da? Hoffentlich sitzt Du nicht immer allein zu Hause. Wir haben vorläufig keinen Ausgang weiter, aber vielleicht kann ich doch noch mal nach Cossebaude. Für heute recht viele Grüsse und Küsse
Dein Tropenfahrer
Viele Grüße an Vater. Er soll Zigaretten sammeln.
Koserow, den 17.8. 41
Mein lieber kleiner Mann!
Da bin ich also nun glücklich in Koserow gelandet, und zwar anders als ich es mir gedacht hatte. Doch der Reihe nach. Am Sonnabend früh um ½ 7 Uhr ging es von Leipzig weg, denn ich mußte meine Reise allein antreten. Da staunst Du, nicht? Lisa mußte sich einer kleinen Operation unterziehen, bei ihr fing der Kiefer an zu eitern und so mußte dieser aufgemeißelt werden. Sie will aber morgen oder spätestens übermorgen nachkommen und hier dann weiter in Wundbehandlung gehen. Na, ich werde ja sehen. Von Leipzig bis Berlin hatte ich einen guten Platz, wenn es auch kein Eckplatz war, so war er doch wenigstens nicht zu eng. In Berlin der übliche Weg, Anhalter – Stettiner Bahnhof und dort unheimlich viel Betrieb. Ich sollte mit dem D-Zug Richtung Saßnitz fahren und in ... umsteigen. Auf dem anderen Gleis aber stand ein Eilzug, der direkt nach Swinemünde fuhr. Um mir das Umsteigen zu ersparen, bin ich in den geklettert, erreichte damit aber nur, daß ich meinen Anschlußzug in Swinemünde nicht mehr erreichte und erst ½ 8 Uhr in Koserow war. Der Zug fuhr über Stettin, Wollin, Mistroy. In Stettin habe ich immerzu an Dich gedacht, wie Du vor noch nicht allzulanger Zeit auch dort rumgestiegen bist. Dort stieg eine junge Frau zu mir ins Abteil und verabschiedete sich von ihrem Mann durchs Fenster, der in einer Stunde wieder ins Feld fuhr. Ach, kleiner Mann, es ist überall dasselbe. Ich höre noch, wie er zu seiner Frau sagte: ‘Sei tapfer, und denk immer daran was wir für schöne Ausflüge gemacht haben und wie schön es war.’ Wieviel schwerer Abschied wird eigentlich in diesem Krieg genommen?
Nun bin ich hier in dieser neuen Behausung, das Haus ist nett und auch das Zimmer. Nur das Bett ist nicht mein Fall, da ist so eine Kuhle, wo man nur in einer bestimmten Lage drin schlafen kann. Gestern Abend hatte ich nun noch gar nichts da, mein Koffer kam erst heute mittag angereist. Gestern abend bin ich nun hier in der Gegend rumgerast, nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte. Es hielt mich nirgends, immer und überall wurde ich an unsere gemeinsame Koserower Reise erinnert und es überkam mich ein namenloses Heimweh nach Dir. Wenn Lisa nicht käm, ich glaube, ich könnte nicht hierbleiben, da würde ich verrückt.
Heute regnet es den ganzen Tag, es wird überhaupt nicht hell, heute Vormittag bin ich an den Strand und habe mir einen Korb gemietet. Aber nicht dort, wo wir waren, sondern zwischen Brücken und Bad. Die Ruhe hier ist nicht gut für mich, da grübelt man viel zu viel, ich bin so froh daß ich jetzt noch arbeite und daß ich jetzt dabei auch ein paar nette Menschen um mich habe. Am Freitag war ich dran mit etwas ausgeben als ... für unseren Hochzeitstag. Frau Berthold spendierte einen Tortenboden und ein Pfund Pfirsiche. Frau Kolbe ein Ei, Margarine und Zucker, und so habe ich nur ein Glas Erdbeeren opfern müssen und wir hatten zwei schöne Torten, Kaffee hatten wir uns von den Soldaten gefochten und nach Feierabend marschierten Frau Leonhard, Berthold, Kolbe in die Steubenstraße 37 Kaffeetrinken. ... Am Abend ist dann die Mutter mit mir den Koffer auf den Bahnhof schaffen gegangen, und am Sonnabend früh waren Mutter, Papa und Mutti auf dem Bahnhof versammelt. Heute habe ich mir ein Buch bei ‘Käthchen’ in der Leihbücherei geborgt. Weißt Du das noch, wie wir immer dahin gingen? Die guten Bücher sind alle weg. Ich habe ‘ .... und Liebe’. Schön, nicht?
Und nun zu Deinem lieben Brief mit Inhalt. Tausend Dank für beides, kleiner Mann. Als ich hier ankam, lag das Päckchen schon auf dem
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