Bleib uns gesund und behalt uns lieb 01: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
denn ich koche richtig vor Wut. Siehst Du, jetzt komme ich doch mit meinen Sorgen, andere habe ich wirklich nicht, zu Dir. Ich glaube, hier verblöde ich noch ganz und gar mit der Zeit. Heute war erst ½ 9 Uhr wecken, dann hatten wir bis um ¾ 12 Uhr Unterricht ab ¼ 10 Uhr. Beim Essen kam dann die Hiobsbotschaft und war mir gleich der ganze Appetit vergangen. Jeder hat jetzt hier die Schnauze voll, denn allen geht es so wie mir. Der Feldwebel und die Unteroffiziere sitzen schon seit 5 Uhr in einer Kneipe ungefähr zweieinhalb Kilometer von hier. Ich bin um 6 Uhr auch mal hingegangen, aber da es wie gewöhnlich in eine Sauferei ausarten wird, bin ich um 8 Uhr wieder gegangen. Die Batterie, die jetzt hier ist, rückt morgen früh zeitig ab und um 9 Uhr kommt eine andere Batterie. Nun bin ich bloss gespannt, wie es mit unserer Post wird, denn die scheidende Batterie nimmt ja auch die Feldpostnummer mit, unter der wir hier immer unsere Post bekommen haben. Da kann es schon sein, dass ich den Sonntagsbrief, den ich event. von Dir zu erwarten habe, erst in 14 Tagen bekomme, denn die Batterie kommt weit weg. Na, wenn die neue Batterie morgen früh kommt, lassen wir uns sofort deren Feldpostnummer geben und dann geht der Brief morgen oder Montag weg. Die ganzen Unterlagen wegen des arischen Nachweises schicke doch bitte gleich nach Köslin an die angegebene Adresse der Kompanie. Wegen der Zeugnisabschriften und dem Paket schreibe ich Dir nochmals, ich weiss es momentan auch nicht, wie Du es mir schicken könntest. Die Bettschuhe brauchst Du mir nicht zu schicken, aber wenn Du irgendwo alte Illustrierte (Frankfurter, München, Ill. Beab.) etc. auftreiben und mir schicken kannst, wäre ich sehr dankbar. Von Helenchen traf heute ein sehr netter Brief ein, über den ich mich sehr gefreut habe. Sag mal, was fehlt ihr eigentlich? Kann sie denn nicht zeitiger nach Gastein fahren? Rede ihr doch zu, lieber beizeiten zu fahren. Sie hat sich wahrscheinlich auch zu sehr wegen Erika gesorgt. Ja, warum müssen unsere Mütter das ganze Elend ein zweites Mal durchmachen. Nun schreibt Helenchen auch, dass meine Mutter nicht besonders gut aussehen würde. Wie ist das nun? Pass doch bitte da mal mit auf, denn ich mache mir um beide Sorge. Es ist vielleicht bald zuviel verlangt von mir, bei Deinem jetzigen Zustand, kleiner Hase, denn ich glaube, auch Du gehst jetzt nicht haushälterisch mit Deinen Kräften um. Ach warum hat bloss der Krieg noch kein Ende und da sitzt man nun auf so einem verlassenen Kaff und kommt vor Langeweile bald um, siehst Du, das ist ja, was mich so quält, dass man hier nichts schafft, das bringt einen zur Verzweiflung. Nun habe ich Dir wieder mal schön die Ohren vollgeheult, aber ich bin froh, dass ich es Dir geschrieben habe, denn es erleichtert doch etwas. ... Für heute wünsche ich Dir eine recht gute Nacht. Ich werde mal recht intensiv an Dich denken.
Sonnabend, den 24.11.
Liebe kleine Lenifrau! Recht vielen Dank für Deine liebe Karte. Es freut mich, dass Du meinen Brief bekommen hast, nun weiss ich aber immer noch nicht, ob Du alle Post bekommen hast. Hier sind nun fast alles neue Leute da, aber jetzt haben wir keine Postanschrift mehr, schick vorläufig alles an die Adresse, wie ich sie auf dem Umschlag angegeben habe.
Jetzt muss ich schliessen, denn die Post geht nach Hohenbruch durch einen Kameraden. Recht viele Grüsse und schreib bald, was der Arzt gesagt hat.
Dein Dichliebender Hans
Heute ist es hier ganz beschissen, denn alles steht Kopf. Hoffentlich kommen wir doch noch bald weg.
O.U., den 23.11. 41
Meine liebe kleine Lenifrau!
Siehst Du, nun fange ich zum oder als Abschluss des Sonntages Deinen Mittwochbrief an, obwohl erst heute vormittag einer ziemlich überraschend weg ist. Sei mir nicht so sehr böse über den letzten Jammerbrief, denn ich glaube, wenn Du hier sein würdest, wäre Dir auch schon längst alle Lust vergangen. Hoffentlich hast Du den Sonntag angenehmer verbracht als ich. Heute war wieder mal ein ganz blöder Tag. Nach dem Batteriewechsel stellte es sich heraus, dass die alten Leute ausser den drei grossen Kochkesseln sämtliches Küchen- und Kochmaterial mitgenommen hatten, sodass wir glücklich erst um ½ 6 Uhr Mittagessen bekamen. Du, jetzt genau 10 Uhr klingt mir ganz laut mein rechtes Ohr, hast Du da an mich gedacht? Na, und da wir keinen ausgebildeten Koch unter uns haben, war heute das Essen auch danach. Den einzigen Vorzug, den es hatte, war der, dass es
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