Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
inzwischen die Briefe von mir erhalten, worin ich Dir den Wechsel hier in Holland schrieb, wer weiss, wozu es gut ist, dass wir nicht ins Reich kamen. Die Verpflegung ist immer noch sehr gut, 80 Gramm Butter, 200 Gramm Wurst, sieben Zigaretten und gutes und reichliches Mittagessen, da kann man es schon aushalten.
Ja, die schönen Stunden bei Tante Gretchen und Schramms vergisst man nicht und hatten wir ja manchen Spass dabei und nicht zu vergessen die guten Kaffeeschüsseln. Der Brief, wo ich über den Tieffliegerangriff schrieb, muss demnach verloren gegangen sein. Wir hatten ja alles in allem immer grosses Glück. Am 3.9. wurden rund um unsere Stellung ca. 300 Stück 250-Kilogramm-Bomben geworfen, ohne dass wir einen Verlust und irgendwelche Beschädigungen hatten. Allerdings galt dieser Angriff auch nicht uns, sondern waren Vorbereitungen für die Luftlandungen am 17.9. Ungefähr 20 Bomben mit Zeitzünder waren bis auf 100 Meter Entfernung von unserer Stellung gefallen und gingen dann in verschiedenen Zeitabständen los. Da haben wir das Hinwerfen aus dem ff. gelernt und einmal hatten wir grosses Glück dabei, denn ein Splitter von 15 Zentimeter Durchmesser kam in Schulterhöhe über uns. Am 17. kam dann die Landung und das, was Du in der Wochenschau sahst, konnten wir in acht Kilometer Luftlinie verfolgen, allerdings in Alarmbereitschaft. Wir konnten auch hier wieder von Glück reden, dass es nicht bei uns zur Landung gekommen ist. Am 29. war ich nachmittags im Speiseraum, um Kaffee zu holen, als wir plötzlich Bordwaffenbeschuss hörten; ich kam gerade noch aus der Baracke und hinter eine Splitterschutzmauer, als in die Baracke zwei Ein-Kilogramm-Raketenbomben einschlugen und eine in die Winkelmauer, von der wir den Luftdruck mächtig zu spüren bekamen. Gleichzeitig traf eine die Baracke und ausgerechnet die Stube, wo Noack war. Ferner fielen noch andere in eine Baracke, die gleich der Baracke von Noack Feuer fing. Ausserdem brannte die Heide und war alles ein wüstes Durcheinander, sodass man erst gar nicht sich vorstellen konnte, was los war. Ich musste mich nun gleich um die Fernsprechleitung kümmern, hörte aber noch, wie Noack nach dem Sanitäter rief und dann auf einer Bahre herausgeholt wurde. In der letzten Zeit war er schon immer sehr pessimistisch, er hat vielleicht doch sein Schicksal etwas vorausgeahnt. Seine Frau hat durch die Kompanie Bescheid bekommen und auch ich hab ihr paar Zeilen geschrieben. Für das Grab wird aber bis jetzt gesorgt, da es auf einem Friedhof liegt, der von Brüdern betreut wird; sollte ich wieder mal nach Apeldoorn kommen, so ist es selbstverständlich, dass ich nach dem Grab schaue und auch Blumen mitnehme. Jetzt will ich aber mal unterbrechen, denn es ist inzwischen 12 Uhr und kann ich vor Kopfschmerzen kaum noch schreiben. Also bis auf morgen, kleine Frau und mal sehen, ob ich was Schönes träume, denn das müsste bei der vielen Post doch der Fall sein.
Jetzt will ich nun noch bis zum Mittagessen eine halbe Stunde schreiben, dann wird der Brief am Abend vollendet. Am 30.9. war ich dann noch mal in Apeldoorn und erfuhr, dass Noack gestorben war und paar Tage später hab ich dann sein Grab noch aufgesucht. Durch den Angriff hatten wir einen Toten, zwei Schwer- und zwei Leichtverletzte. Anschliessend an den Angriff wurde ein grosser Teil unserer Kompanie zum Endkampf mit eingesetzt und zwar vier Tage lang und hatten wir da auch einige Verluste. Ich bin als Sprengmeister zurückgeblieben, aber die meiste Zeit steckten wir dann, wie ich Dir schon schrieb, in den Einmannlöchern. Hier ist es bedeutend ruhiger und kommt es sehr selten vor, dass wir in volle Deckung gehen. Hoffentlich ist nun die Puppe und die Drops angekommen, das wird wohl auch das einzige bleiben, was ich in diesem Jahr schenken kann. Es ist viel Krimskrams, was ich geschickt habe, aber auch Konserven, Seife, Gummiband und Kämme, den grössten Teil wirst Du sicher gut verwerten können, u.a. waren auch gute Scheuertücher dabei. Dass Heidi gut folgt, ist ja schön und freut mich das wirklich sehr und dass Ihr alle auf dem Posten seid, ist mir eine grosse Beruhigung. War denn der Meester nun zur Erholung fort und hat Helenchen meinen Brief bekommen? In Dresden sollen die oder der Angriff nicht so stark gewesen sein, vor allem hatten die Dresdner Glück durch viele Blindgänger. An Heidi hast Du da ja einen guten Wecker, falls Du mal die Sirene nicht gleich hören solltest. Für die Grüße von Lisa und
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