Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
nochmals und will die anderen Türen sauber machen. Vater und Mutter waren heute im Kino in ‘Der gebieterische Ruf’. Es hat ihnen ganz ausgezeichnet gefallen und wollte ich mir den ja auch gern mal anschauen. Und nun, kleiner Mann, denke ich doch, daß man es wagen kann und ins Bett steigen. Hoffentlich schläft Heidi ein bissel besser. Morgen geht Mutter zu Frau Dr. Weise wegen sich selbst. Mal sehen, wie Heidis Wasser war.
Und nun alter Strolch behalt uns recht lieb, in Gedanken gebe ich Dir einen feinen Kuß und grüße Dich recht recht herzlich. In alter Liebe
Deine Lenifrau.
3. BriefLeipzig, den 25.11. 1944
Mein lieber alter Strolch!
Nun habe ich doch schon fünf Tage mit Schreiben ausgesetzt und Du wirst mir deshalb nicht böse sein. Hast Du meine zwei anderen Briefe bekommen? Von Dir habe ich den letzten von Meinerzhagen, von dort habe ich noch keinen bekommen, und es wird wohl auch seine Zeit dauern, bis der 1. Brief wieder ankommt. Bist Du noch gesund und munter, alter Kerl, und was macht Dein Schnupfen? Jetzt hatte Mutter den Schnupfen und hat mich wahrscheinlich angesteckt. Unserem Kerlchen geht es gottlob wieder besser. Mutter (eben kommt Voralarm) s’ist ein Elend. Drei Stück irren im Raum 33 (Halle) mit Südostkurs rum. Heidi war natürlich gleich wieder munter und weinte, und liegt nun hier auf dem Sofa. Vater ist Biertrinken. Mit den Alarmen geht das mal wieder am laufenden Band. Innerhalb 24 Stunden dreimal. Dabei will man sich noch nicht mal beschweren. Eben kommt auch Vater zurück. Heute sitze ich mal wieder bei der Nachtischlampe traulichem Schein um zu schreiben. Unsere Stehlampe macht mal wieder nicht mehr mit. Am Dienstag, als Mutter bei Frau Dr. Weise war, hat sie wieder Heidis Wasser mitgenommen. Ich habe dann am Mittwoch angerufen, da war es noch genau so wie am Anfang und mußte Heidi wohl oder übel ins Bett und bekam Prontosil. Sie hat sich dann auch im Bett ganz brav gehalten und hat ihr wahrscheinlich auch geholfen. Die Schwester, die bei uns zu Weihnachten mal mit wohnte, hatte uns am Donnerstag auch besucht und Heidi ein großes und stabiles Häschen zum Fahren mitgebracht, welches ein ...kranker Junge gearbeitet hatte. Heute habe ich wieder das Wasser hingeschafft und heute Nachmittag angerufen. (Eben Entwarnung durchgegeben). Es ist fast ganz weg und muß ich nur in fünf Tagen das Wasser noch mal hinschaffen. Aber seit Freitag ist sie wieder auf, und heute waren wir auch wieder an der Luft. Diese Tage habe ich mit Heidi im Zimmer geschlafen, und da Heidi im kleinen Bettchen nicht schlief, sie ist eben doch schon zu groß dazu, hat sie auf dem Diwan geschlafen, und ich mit ihr teils und teils bei den Eltern auf dem Sofa. Aber ein Schlafen war das nicht. Diese Nacht hat das Kerlchen das erste Mal wieder durchgeschlafen und ich mit, dafür schwamm sie aber heute früh in ihrer Windel bald fort. Ja, ja, sie muß wieder eingepackt werden wie ein Baby, und ihr macht das Spaß. Aber ich denke, das gibt sich schnell wieder. Zweimal war ich auch diese Woche bei Mutti. Aber man kann nur so lange was tun, als es hell ist, denn sie haben noch keine Lampen dran. Warm sind sie noch nicht drin geworden. Es ist ein Elend, wenn man das sieht. Trotz der Möbel von Schramms sieht es doch aus wie bei armen Leuten. Es fehlt eben alles, was ein Heim gemütlich macht. Ob das Gardinen, Teppich, Sessel, Bilder oder dergleichen ist. In der Küche eine alte Vitrine und zwei Stühle. Ich trage mich mit dem Gedanken, solange bis Mutti den beantragten Sessel erhalten hat, einen von uns einstweilen hinzuschaffen. Was meinst Du darüber? Wir hatten ja auch schon darüber gesprochen. Gestern Abend waren Mutti und Papa da, Mutti war bei Frau Kürbis anprobieren. Sie waren kaum da, als Alarm kam. Aber er galt mal wieder Berlin. Auch am Dienstag Vormittag zwei Stunden Alarm und waren sie immer in unmittelbarer Nähe. Auch heute früh, Mutter war gerade weg zum Baden, als Alarm kam, und es wurde im Rundfunk nicht mehr wie alles genannt. Es sah auch sehr bedrohlich für uns aus, es brummten die Flieger und krachte nur so, aber der Hauptangriff galt wahrscheinlich wieder Leuna. Hier jedenfalls im Stadtgebiet wurden weder am Dienstag noch heute Bomben abgeworfen. Also mach Dir keine Gedanken, wenn Dir mal wieder was zugetragen wird. Die nicht dabei sind, wissen es ja immer besser. Am Donnerstag war auch eine Tusnelda vom Arbeitsamt da zum Prüfen. Sie hat von Vater aufgeschrieben, Krankheit, Arzt,
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