Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
auch gut geschmeckt? Vater hat ja Glück mit der Sonderverpflegung, hoffentlich hat da Mutter für sich auch einen Nutzen davon. Da war es ja kein übler Gedanke, dass ich das Flanellzeug nach Hause geschickt habe; Heidi kommt dadurch zu einem neuen Schlafanzug. Ich möchte bloss wissen, wieso Du da jetzt alles selbst schneiderst. Es stecken Talente in Dir, kleine Frau, die erst durch den Krieg geweckt wurden. Heidi scheint sich ja ganz schön erkältet zu haben, kein Wunder, dass sie dann blass und elend aussieht oder ausgesehen hat; ich wünsche, dass sie nun wieder gesund ist. Sag mal, jetzt ist der Tommy doch öfter in Merseburg gewesen, bei Euch ist doch noch alles in Ordnung? Sind denn nun die Eltern in der Preussenstrasse eingerichtet? Kleine Frau, nimm mir diese Anfrage nicht übel, aber ich möchte gern wissen, ob sich auch Erie und Lisa an den Arbeiten beteiligt haben? Du weisst, dass ich auch dafür bin, dass da Helenchen und dem Meester in dieser Art geholfen wird, aber ich kann nicht verstehen, dass Du es allein sein sollst. Das hatte mich schon früher in der Nürnberger geärgert. Bist Du dem ‘gebieterischen Rufe’ gefolgt und auf Deine Kosten gekommen? Sollte es mal wieder klappen, dass ich nach Hause komme, dann gehen wir auch mal ins Kino, denn hier hat man ja doch keine Gelegenheit mehr. Heute habe ich nun die ersten zwei Fuhren nach Apeldoorn zur Bahn gefahren. Bei der ersten sind wir zurück über Arnheim und haben 50 Zentner Kohle geladen. Da sehe ich in der Strasse einen fahrbaren niedlichen kleinen Stoffesel stehen und hab ihn für Heidi mitgenommen. Da er ca. 40 Zentimeter hoch und lang ist, kann ich ihn noch nicht verpacken aus Mangel an Karton; hoffentlich kann ich ihn noch so wegschicken, dass er zu Weihnachten zu Hause ist. In Apeldoorn wollte ich mich nach paar Weihnachtsgeschenken umsehen, aber alle Läden waren geschlossen. Es war gerade Grossrazzia auf alle Holländer zwischen 16 - 60 Jahren, die nun hier in Holland ebenfalls für uns schippen müssen. Morgen gebe ich ausser diesem Brief noch zwei Pakete nach M. mit. In dem einen sind zwei Wolldecken, neu, aber etwas angeschmutzt. Falls Du sie nicht für Heidi brauchst, kannst Du sie vielleicht Helenchen schenken. Dann noch ein kleines Bild, ein einfaches Holzpferdchen und ein Knipsspiel. Im anderen sind paar Glühbirnen, Sicherungen, eine neue Gummiwärmflasche, eine Batterie für Dich und eine für die Mutter, drei Brillenfutterale (da sollen sich die Eltern rein teilen, soweit sie Bedarf haben), zwei neue Hand- oder Tischtücher, ein Frotteehandtuch, vier Kerzen (zwei für Helenchen, zwei für Mutter), eine Strickjacke für Dich (besser als die andere). Dann noch Wäsche von mir, was gut ist, aufheben, schlechtes in die Lumpen.
Morgen früh ½ 7 Uhr geht es wieder nach Apeldoorn und nachmittags noch mal und am Montag ebenfalls. Da findet man jetzt nicht viel Ruhe und geht der Tag um
6 Uhr los und abends um 9 oder 10 Uhr ist man immer todmüde. Na, man hat es immer noch besser als die armen Kerle an den Fronten.
Ja, kleine Frau, die Wimpern verfitzen sich, da will ich nun mal für heute schliessen und in die Falle kriechen. Für Dich und Heidi habe ich heute wieder viele Grüsse und Küsse und hoffe, dass Euch beide meine Zeilen bei guter Gesundheit antreffen. Ich bin wie immer
Dein Dichliebender Hans.
Grüsse an die Eltern und alle anderen.
6. BriefLeipzig, den 7.12. 1944
Mein lieber alter Strolch!
Das soll kein Weihnachtsbrief sein, und brauchst Du ihn nicht bis dahin aufzuheben, vorausgesetzt, daß er überhaupt früher ankommt. Die zwei grünen Marken habe ich nun endlich erhalten, und gebe morgen noch das Weihnachtspäckchen ab, hoffentlich haben wir Glück und kommt es rechtzeitig an. Deinen 1. Brief habe ich nun auch erhalten, aber wahrscheinlich ist es Dein zuletzt geschriebener, Du hast ja leider nicht nummeriert, so daß man nun nicht kontrollieren kann, was noch unterwegs sein muß. Dieser Brief kam mit Mutters Brief gleichzeitig an und ist am 1.12. in Hohn (Bahnhof) abgestempelt. Mit Schmerzen haben wir wirklich darauf gewartet, Du weißt das ja von Dir, wie das ist, das Warten. Ich hoffe aber, daß Du von mir nun den einen oder anderen Brief erhalten hast. Er ist ja nummeriert und kannst Du sehen, was fehlt. Wir haben jetzt immer sehr viel Alarm, und auch kleine Angriffe. Vom letzten hatte ich Dir ja geschrieben, es stehen da eine ganze Menge Tote in der Zeitung. Gestern Mittag war wieder Leuna
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