Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Brief wird heute noch geschrieben, denn ich habe ja noch zwei Briefe von Euch zu beantworten. Zuerst, liebe Mutter und lieber Vater, danke ich Euch recht vielmals für Eure lieben Wünsche und warte ich ja mit Euch auf den Tag, wo wir alle wieder beisammen sind. Auch ich hatte versucht, es zu ermöglichen, am 27. zu Hause zu sein, statt dessen verschiebt sich der Urlaub wieder etwas weiter, aber so am 20.7. rum hoffe ich bestimmt zu Hause zu sein. Leider hatte ich von gestern zu heute U.v.D., sodass ich dem Tag keinen besonderen Anstrich geben konnte, aber morgen Mittag fahre ich nach Arnheim rein und werde Euer Geschenk, für das ich Euch nochmals recht vielmals danke, zum Teil im Kino und anschliessendem Kaffeebesuch umsetzen und dabei Euer besonders gedenken. Auf die Bowle freue ich mich jetzt schon, denn seit Weihnachten hab ich so gut wie keinen Alkohol mehr zu sehen bekommen. Liebe Mutter, Du schreibst, dass ich Dir nie Ärger gemacht habe, aber ich glaube, so gut gefolgt habe ich nicht immer, aber eins steht fest, dass ich Dich noch genau so lieb wie früher habe und tut es mir nur leid, dass ich Dir und Vater früher doch ab und zu Sorge und Ärger bereitet habe, aber das sieht man ja erst später ein. Jedenfalls freue ich mich riesig, Euch bald wiederzusehen, aber Ihr müsst immer recht gesund bleiben.
Meine Dohlen machen jetzt viel Spass, zwei ganz freche Kerle sind es geworden und wenn ich mit was Essbarem in den Käfig, er ist vielleicht zwei Meter im Quadrat, komme, dann sitzen sie mir schon mit viel Gekreische auf den Schultern und sperren ihre Schnäbel auf. Leider fressen sie nicht von allein, sondern man muss sie eben immer füttern, aber ich glaube, wenn man sie freilässt, verhungern sie. Die Kritik über ‘Die Zauberinsel’ hab ich gelesen, der Film ‘Ich klage an’ war sehr gut und hat mir sehr gut gefallen. Ihr werdet nun schon von Leni gehört haben, dass Butter unterwegs ist, die Postscheine lege ich anbei. Die zwei Pfund Kaffee bringe ich im Urlaub mit. Heute hatte ich grosses Glück, einer meiner Mechaniker ist Mittag auf Urlaub gefahren und hat die sieben Käse in zwei Paketen verpackt, eins an Leni und eins an Mutter adressiert, mitgenommen und gehen sie Euch von Köln oder Stuttgart aus zu. Mit der Verpflegung ist es hier noch zum Aushalten, jedenfalls ist sie immer noch reichlicher und besser als im Reich. Ellis Geburtstagsbrief war pünktlich da, bitte grüsst sie von mir, ich schreibe ihr in den nächsten Tagen. Leider wird meine Geburtstagskarte für sie nicht so pünktlich eintreffen, aber das lag an meiner Dienstreise und ging nicht anders zu machen. Ich fühle mich persönlich ganz wohl, nur habe ich immer noch mit den Füssen zu tun, aber da gehe ich nach dem Urlaub ins Revier. Dass Ihr so an Heidi hängt, glaube ich gern und könnte man dabei direkt neidisch werden, das alles nicht mitzuerleben. Was sie da mit Nelle angestellt hat, ist wirklich goldig, der kleine Kerl weiss sich ja schon ganz schön zu helfen. Gib ihr nur für den geschickten Gruss und Kuss einen für mich wieder.
Dass Vater mit den Schlüsseln explodiert ist, kann ich mir vorstellen, aber es war ja alles gut abgelaufen und glaube ich, dass Du ganz schön in Schwulitäten warst, aber die Aufregung war die ganze Sache bestimmt nicht wert. Ich sehe schon, dass, wenn ich komme, Heidi solche Fortschritte gemacht hat, dass ich sie gar nicht wiedererkenne. Wir wollen nur wünschen, dass sie immer so gesund und heiter bleiben möge.
Hoffentlich taugt der Stoff etwas, den ich geschickt habe, na, Leni wird mir ja darüber schreiben. Ist es denn mit Vaters Augen etwas besser und fühlst Du Dich wieder wohler, hat denn die Gewichtsabnahme bei Dir nun aufgehört? Kannst Du nicht mit Vater paar Tage wegfahren, es würde Euch beiden doch gut tun. Ich glaube, dass ich in Arnheim die Birnen morgen besorgen kann. Mit der Pendelschnur sieht es schon schlechter aus, ich habe hier zweiadriges Gummikabel, allerdings etwas stärker, geht das vielleicht?
Die Dienstreise ins Reich war eine Hetzerei mit viel Arbeit und Ärger, ausserdem habe ich von dem Elend, was ich in Barmen, Düsseldorf und Krefeld zu sehen bekam, erst einen richtigen Begriff bekommen, was der Krieg für die Bevölkerung ist, es wird höchste Zeit, dass er zu Ende geht. In den nächsten Tagen habe ich noch viel Arbeit, aber man tröstet sich eben mit dem in Aussicht stehenden Urlaub.
Nun bin ich wieder am Schluss angelangt und für heute Vater und Dir recht
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