Bleib uns gesund und behalt uns lieb 02: Briefe und Feldpostbriefe einer deutschen Familie 1928 bis 1946
Kurt mit seinem Söhnchen, derselbe ist 21 Monate alt. Auch ein stämmiges Kerlchen. Kurt erzählte, daß seine Mutter an einem Schlaganfall festläge und könnte sie nicht allein gelassen werden, ob ich sie mal besuche? Wir sind ja lange Zeit nicht mehr zusammengekommen.
Soeben rief mich Leni, Heidi war von der Fußbank auf den Sessel geklettert und hatte sich schön breit hingesetzt, dazu ihr kleines freches Spitzbubengesicht. Jetzt eben wollte sie den Nähkasten ausräumen, aber Leni zankte und Heidi weinte, aber im Handumdrehen war es wieder gut. Es sind manchmal zu spaßige Momente. Man müßte sie immer gleich knipsen können.
Mein lieber Junge, des Pakets wegen mach Dir keine Sorgen, es wird schon alles gedeckt werden, und was Du da an Leni schriebst, daß Du den Schaden tragen willst, kommt gar nicht in Frage. Da jagst Du Dich ab und wenn mal was verloren geht, willst Du es tragen. Nein, mein Junge, wer was haben will, muß auch das Risiko auf sich nehmen. Nur noch eines, solltest Du nochmals etwas Kaffee bekommen und etwas Butter, so schicke es bitte, aber nur wenn Du nicht so große Lauferei hast.
Was ich Dir noch schreiben wollte. Leni hat doch nun ihren Geburtstag. Nun habe ich Dir doch verschiedene Oberhemdenstoffe gekauft. Einen davon, kleinkarierte Lembergseide, kaufe ich Dir wieder ab und mache Leni ein Kleid davon. Ist es Dir recht? Aber ich glaube daß ich Dich gar nicht zu fragen brauche, wenn es für Leni ist.
Anbei lege ich 100 Mark bei, die mir Leni gab, sie hat Dir ja schon davon geschrieben.
Nun will ich aber Schluß machen, ich habe zwar gar nicht gefragt, wie es Dir geht, aber mein lieber Junge, ich weiß Dich immer unter gutem Schutz, da muß es Dir wohl sein. Recht viele liebe Grüße von uns allen und komm bald nach Haus.
In aller Liebe
Deine alte Mutter.
d. 8.6. 43
Mein lieber Junge!
Heute Abend bin ich mit Heidi allein zu Hause und will ich Dir, nachdem ich unser Kerlchen zu Bett gebracht habe, Dir gleich Deinen lieben Brief vom 3.6. 43 beantworten. Leni ist heute Abend ins Theater (Oper). Es wird der ‘Zigeunerbaron’ gegeben. Sie ist mit ihrer Mutter gegangen. Vater ist zu einem Vortrag mit Lichtbildern. Ich glaube, wenn sich Heidi so weiter entwickelt, kann sie Dir zu Deinem Urlaub allein entgegen kommen. Sie hält sich nur leicht an einem Finger fest. Aber kriechen kann sie gut, daß geht mit einer Geschwindigkeit durch alle Räume. Gestern war ich mit Heidi und Elli spazieren. Leni war im Garten, da wollten wir Frl. Linke besuchen, aber nicht angetroffen. Wir haben dann in einem Gartenverein Kaffee getrunken und machten uns dann um 5 Uhr auf den Heimweg. Am Charlottenhof erwischte uns ein Gewitter und regnete es tüchtig. Elli und ich waren tüchtig naß, aber Kerlchen habe ich dann heimgetragen und den Schirm über sie gehalten, sie kam trocken nach Hause. Es hat ihr aber gut gefallen...
Heute ist das Paket mit dem Käse angekommen. Ich habe mich sehr gefreut, hab vielen Dank. Nun wird auch das Butterpäckchen kommen. Heute haben wir auch die ersten Erdbeeren bekommen, das war aber ein Genuß.
Hast Du schon an Naumanns geschrieben, ich glaube sie werden sich sehr darüber freuen. Heute steht übrigens die Todesanzeige von Frau Güttner im Blatt. Ich bin nun nicht noch einmal bei ihr gewesen. Ich schreibe ihnen eine Karte. Hast Du nun übrigens die ‘Nachrichten’ erhalten, ich habe sie für Juni bezahlt und ihnen Deine neue Feldpostnummer gesagt.
Bei Naumanns Kurt war noch das gleiche. Sie können ihn noch nicht operieren, da die Splitter noch wandern. Du hast ganz recht, mich auszuzanken, aber ich bin doch manchmal sehr mutlos. Weißt Du, mir fehlt die Wissenschaft doch sehr. Schon wenn man in das Heim kam, war ein wundervoller Friede in und um dich und ich kann es manchmal nicht fassen, da man doch dort nie ein Wort des Hasses, sondern nur Worte der Liebe hörte.
Weißt Du, zu einem anderen Arzt brauche ich nicht zu gehen. Frau Dr. Weise tut schon, was sie tun kann. Ich würde mich ja operieren lassen, aber jetzt, wo alte Leute zuviel auf der Welt sind, habe ich keinen Mumm dazu, und der Krieg scheint doch noch recht lange zu dauern. Na, wollen wir das Beste hoffen. Jetzt freue ich mich vor allen Dingen auf Dein Heimkommen, und dauert es hoffentlich nicht mehr so lange. Heute waren Leni, Heidi und ich bei Schramms. Tante Anna war nicht zu Hause. Unbereits Sohn wird in Tunis vermißt und da ist sie zu seiner Mutter gegangen und wollte wohl an
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