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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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lächelt.
    »Klar, dass du’s weißt, oder klar, dass du’s noch hast?«
    »Beides. Brauchst du’s?«
    »Sagen wir mal, es wäre … dringend.«
    Ich sehe ihn an. Ehe er mich gefragt hat, hat er einen Anruf bekommen und sich damit in eine Ecke der Umkleide zurückgezogen.
    »’ne Freundin?«
    »Freundin ist ein bisschen zu viel gesagt.«
    »Und dringend heißt was?«
    Er senkt die Stimme.
    »Mein Weg führt bei dir vorbei. Wenn ich hinter dir her fahre, könntest du’s mir geben? Aber nur, wenn …«
    Ich nicke. Ich verleihe meine Bücher gern. Und er weiß das.
    »Ich bin gleich fertig, dann können wir.«
    Eine Viertelstunde später verabschieden wir uns von den anderen und gehen zum Parkplatz.
     
    »Und, wie ist diese Nicht-Freundin so?«
    Als ich aus dem Aufzug trete, bleibt mir die Frage im Halse stecken.
    Die Wohnungstür steht offen. Einen winzigen Spalt, kaum sichtbar.
    Das Licht brennt. Die Fußmatte ist verrutscht und liegt im rechten Winkel zur Tür.
    Ich sehe Andrea an. Er hat die Hände aus den Taschen gezogen und wirkt kein bisschen erschrocken. Nur sehr wachsam. Mit einem Kopfnicken deutet er Richtung Treppe. Schweigend steigen wir zwei Absätze höher und lauschen.
    Stille.
    Gedämpfte Musik ein Stockwerk höher. Das kaum wahrnehmbare Brummen des abendlichen Verkehrs. Draußen, auf der Straße.
    Noch immer Stille.
    »Ich habe eine Sicherheitstür«, flüstere ich. »Und ich weiß ganz genau, dass ich sie abgeschlossen habe.«
    Er nickt. Er starrt auf die Treppe, ohne mich anzusehen. Gelbes Licht beleuchtet die Stufen. Die Dunkelheit kurz darauf wird zum Halbdunkel.
    Der Aufzug schließt sich. Fährt los.
    Abwärts.
    Öffnet sich.
    Jemand steigt ein.
    Fährt los.
    Erreicht mein Stockwerk, überholt es. Dann unseres, überholt es.
    Bleibt stehen. Öffnet sich.
    Jemand steigt aus. Das Licht geht wieder an. Ein Schlüssel dreht sich im Schloss. Eine Tür öffnet sich. Eine Tür schließt sich. Wieder Stille.
    Sie dauert eine Ewigkeit und mischt sich mit dem Herzschlag, der viel zu lange braucht, um sich zu beruhigen. Ich atme.
    »Gehen wir, da ist niemand«, sage ich.
    Andrea nickt.
    Er wirkt weder erschrocken noch verunsichert. Er geht neben mir her, als hätte er so etwas schon x-mal erlebt.
     
    In der Wohnung ist es viel zu still.
    Andrea ist einen Schritt hinter mir. Mit weit geöffneter Wohnungstür bleiben wir im Flur stehen. Das Treppenhauslicht erlischt wieder.
    Ich sehe ihn an, atme. Mein Atem erscheint mir viel zu laut. Er schüttelt unmerklich den Kopf, um mich zu beruhigen.
    Wir machen eine schnelle Runde durch die Zimmer. Der Eindringling hat überall Licht gemacht. In der Küche öffne ich eine Konserve mit gefüllten Peperoncini und stecke die Finger hinein. Der in zwei winzige Plastiktüten eingewickelte Stick mit Elenas Aufzeichnungen ist noch da. Ich esse ein Peperoncino, damit Andrea nichts merkt, und schließe das Glas.
    »Fehlt was?«
    Ich wische mir die Finger an einer Papierserviette ab. Öffne zwei Bier. Ich muss etwas trinken. Andrea rührt seines kaum an. Ich blicke mich um.
    Wie in allen anderen Zimmern sind auch hier sämtliche Schubfächer und Schranktüren aufgerissen. Es wurde zwischen den Anziehsachen, der Unterwäsche, den Medikamenten im Bad, den Büchern, den DVDs herumgewühlt. Sie haben den Fernseher angestellt und den Ton abgedreht. Ich lasse den Kühlschrank offen.
    Alles angefasst, ohne Sinn und Verstand, manchmal sogar, ohne einen Pulli oder ein paar Socken zu verrücken. Aber dennoch ist offensichtlich, dass ihnen nichts entgangen ist.
    Außer vielleicht das, wonach sie gesucht haben.
    Ich werfe die leere Bierdose in den Mülleimer. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich sie schon ausgetrunken hatte. Ich versuche zu lächeln. Und endlich antworte ich ihm auf seine Frage.
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Instinkt.«
    Ich denke nach. Der Blick wandert zwischen den Zimmerwänden hin und her.
    »Nein«, antworte ich. »Die haben nur Chaos veranstaltet.«
    Andrea stellt das Bier auf den Tisch.
    »Sieh bitte noch mal nach.«
    Ich sage nichts. Ich begreife seine Neugier nicht, seine unerschütterliche Ruhe, die Sicherheit, die in seinen wenigen Worten mitschwingt.
    Ich verlasse das Zimmer. Kontrolliere den Computer, mache eine Runde durch die Wohnung, werfe einen Blick in Schubfächer und Schränke. Dann sind die Badezimmer dran, dann wieder die Küche, das Wohnzimmer. Ich muss daran denken, was Arianna mir am Abend ihres Verschwindens erzählt hat. Vom zweifachen

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