Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
Vom Netzwerk:
nicht müde.
    Ich bin stinkwütend. Ich bin ruhig.
    Ich lebe. Und ich will mich nicht wie eine Marionette fühlen.
    Das Sting-Stück wird zum Otis-Redding-Stück. Und Andrea fängt wieder zu reden an. Er holt tief Luft. Er wirkt müde.
    »Du bist Journalist, stimmt’s? Dann sieh’s mal so. Einmal im Leben ist die Geschichte hinter dir her. Ich bin nur der Autobus, der dich im richtigen Moment an der richtigen Haltestelle absetzt.«
    »Ist die Metapher eine Dienstanweisung?«
    Er grinst.
    »Nein. Aber so lässt sich sehr schön sagen, was man nicht sagen darf.«
    »Ich nehme an. Unter einer Bedingung.«
    »Ich höre.«
    »Ich brauche Antworten.«
    »Ich habe nicht viele.«
    Ich deute auf den Umschlag.
    »Was ist da unten?«
    »Eine Geschichte, die erzählt werden will.«
    »Die interessiert mich nicht. Du weißt, welche Geschichte ich hören möchte.«
    »Wenn Geschichten scheinbar nichts miteinander zu tun haben, muss das nicht unbedingt stimmen.«
    »Seit wann arbeitest du für den Geheimdienst?«
    Er zuckt die Achseln.
    »Wer sagt denn, dass ich für den Geheimdienst arbeite?«
    »Was denn sonst?«
    Er verschränkt die Finger. Antwortet nicht. Ich werde laut.
    »Worüber reden wir hier, verdammt noch mal?«
    Er nickt in Richtung Haustür.
    »Darüber. Über die, die dich beobachten. Darüber, was man erzählen kann und was nicht.«
    »Ich will was über Solara wissen.«
    Er lacht.
    »Ein Blick durchs Schlüsselloch genügt doch schon, verdammt! Solara hat mit dem, was du suchst, nichts zu tun. Willst du wissen, weshalb Elena gestorben ist? Willst du wissen, was in ihren Aufzeichnungen steht? Was wirklich darin steht? Dann hör auf, an Ignazio Solara zu denken! Hör auf, dich wie ein paranoider, vernagelter Blödmann aufzuführen!«
    Er legt einen Finger auf den Umschlag.
    »Willst du mit der Quelle deiner Frau reden? Das sind die Bedingungen, das ist die Geschichte. Schon bald wirst du merken, dass sie nicht anders ist. Und dass du ohne sie nicht einmal wüsstest, wo du anfangen sollst.«
    Er schaltet das Radio ab. Sieht auf die Uhr.
    »Ich hab keine Zeit mehr. Entscheide dich.«
    Ich nicke. Er hat recht, ich hasse es, vor die Wahl gestellt zu werden. Zwei Pillen, eine für die Wahrheit, eine fürs Vergessen. Ich falte den Umschlag und stecke ihn in die Tasche.
    »Wie kann ich dich kontaktieren?«
    »Du kannst mich nicht kontaktieren. Ich bin nicht dein Informant und du nicht meiner. Ich habe dir lediglich einen Vorschlag gemacht.«
    Ich sage nichts. Lasse den Blick über die Straße wandern. Das Schild der Bar an der Ecke, der Kiosk, der SUV meines Nachbarn, schlecht geparkt wie immer.
    Ich öffne die Tür.
    »Offiziell machst du Urlaub, denk dran.«
    Ich nicke.
    »Ich nehme an, das Buch brauchst du nicht.«
    Er reckt sich auf den Rücksitz und zeigt mir ein Exemplar vom Wendekreis des Krebses .
    »Nur für den Fall. Ich war nie der Weiberheld, für den ihr mich immer gehalten habt. Und Miller mag ich auch nicht.«
    Ich drücke ihm die Hand.
    »Danke.«
    Stumm erwidert er den Händedruck. Eine knappe, entschiedene Geste.
    Ich steige aus. Ehe ich gehe, strecke ich noch einmal den Kopf hinein.
    »Mein Vater?«
    »Ach, ja, Adriano. Um diese Zeit werden sie ihm schon alles erklärt haben.«
    »Du wusstest, dass ich annehmen würde.«
    »Du nicht?« Er lässt den Motor an. »Mach dir um ihn keine Sorgen. Er ist mit einem alten Freund essen gegangen. Womöglich rauchen sie gerade ein Zigarettchen.«
     
    Mitten in der Nacht wird Daniele wach.
    Die Stille ist beängstigend. Die ersten Monate konnte er in diesem Haus kaum schlafen. Inzwischen hat er wirre Träume, in der die Abwesenheit von Geräuschen zu einer apokalyptischen Welt wird. Wüst, leer, verlassen.
    Ein Ort, in dem er ziellos umherwandert, auf der Suche nach dem einzigen anderen Überlebenden. Nach dem Mann, der ihn umbringen wird. Er begegnet ihm nie.
    Kurz bevor er sein Haus erreicht, wacht er jedes Mal auf. Manchmal ist es eine Villa, eine Art Schloss. Oben auf einem Hügel, über dem ein allzu großer Mond steht. Nah, gelb und bedrohlich.
    Doch diese Nacht hat er nichts geträumt.
    Mit geschlossenen Augen wälzt er sich im Bett herum. Er weigert sich, sie zu öffnen, in der Hoffnung, es passiert etwas und er kann endlich wieder einschlafen.
    Manchmal ruft er nach seinen Alpträumen nach einem Mann aus seiner Eskorte. Dann trinken sie in der lichtdurchfluteten Küche einen Kaffee, zwei Schiffbrüchige an entgegengesetzten Ufern des Lebens. Sie sagen

Weitere Kostenlose Bücher