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Bleiernes Schweigen

Bleiernes Schweigen

Titel: Bleiernes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferruccio Pinotti , Patrick Fogli
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Einbruch bei Michela und ihr.
    »Es fehlt nichts«, sage ich, den Geschmack des Peperoncino noch auf den Lippen.
    Mein Gast antwortet sofort.
    »Das ist eine Warnung.« Ich will etwas antworten, schaffe es aber nicht
    Die Frage kommt zu schnell.
    »Hast du wieder zu rauchen angefangen?«
    Ich kapiere gar nicht, was er meint. Ich folge seinem Blick, und da sehe ich es.
    Ein Päckchen Winston, auf dem Wohnzimmertisch. Geöffnet. Acht Zigaretten sind noch drin. Ich setzte mich auf das Sofa, den Blick auf das Papier, auf die Farben, die Buchstaben des Markenschriftzuges, die Lichtreflexe geheftet.
    Die habe ich nie geraucht, und auch mein Vater nicht. Die lagen seit Jahren nicht da.
    Es waren Elenas Lieblingszigaretten.
    Ich stütze die Ellenbogen auf die Schenkel, schließe die Augen, öffne sie wieder. Andrea steht neben dem Fernseher. Aufmerksam lässt er den Blick durchs Zimmer wandern wie ein Experte, der den Wert der Einrichtung festlegen soll.
    »Was …«, hebe ich an.
    Das Klingeln des Telefons unterbricht mich. Das schnurlose, auf dem Tisch, neben den Zigaretten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es dort liegengelassen habe. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich es in den letzten Wochen benutzt habe.
    »Hast du eine Lautsprecherfunktion?«
    Ich nicke.
    »Stell sie bitte an.«
    Ich greife nach dem Telefon, drücke auf den Knopf und aktiviere den Lautsprecher.
    »Hallo?«
    »Du musst besser aufpassen.«
    Die Stimme ist vollkommen anonym, weder jung noch alt. Weder aus dem Süden noch aus dem Norden.
    »Wer ist da?«
    Sie reagiert nicht, atmet nicht. Antwortet nicht auf die Frage.
    »Vielleicht haben sie dich für intelligenter gehalten. Und falsches Lob muss richtiggestellt werden. Denk daran, solange du noch die Zeit dazu hast, denn wer seine Meinung ändern soll, könnte sie ändern. Hier Falange Armata. Wir melden uns wieder.«
    Die Verbindung bricht ab.
    Ich lege das schnurlose hin. Berühre mit dem Finger die Winston-Schachtel. Dann schleudere ich sie gegen die Wand. Ich stehe auf. Starre auf die Zigaretten am Boden. Eine absurde Erinnerung kommt in mir hoch. Ein paar von zwei Querstrichen durchzogene Parallelen.
    Der Ordner, den ich Daniele gezeigt hatte.
    Talete.
    Wer bist du?
    Eine Frage, die durch meine Gedanken hallt.
    Wer bist du?
    Eine Frage, die ich allzu vielen Menschen stellen müsste.
    »Wer bist du?«, frage ich. Andrea steckt die Hände in die Taschen.
    »Jemand, der dir helfen will.«
    Ich versuche zu lächeln. Plötzlich fällt mir ein, was ich gleich beim Betreten der Wohnung hätte tun müssen.
    »Adriano«, flüstere ich. Ich greife nach dem Handy. Andrea hält mich am Handgelenk fest. Schüttelt den Kopf. Bedeutet mir zu warten. Nimmt seines und wählt eine Nummer.
    »Gib ihn mir«, sagt er. Wartet. »Einen Moment«, fügt er hinzu. Und reicht mir das Telefon.
    Die Stimme meines Vaters am anderen Ende.
    »Geht es dir gut?«
    »Klar geht’s mir gut. Und dir?«
    Ich antworte nicht.
    »Wo bist du?«
    »Mit einem Freund. Alles okay.«
    »Ich rufe dich morgen an«, sagt er. Ich reiche Andrea das Telefon und weiche einen Schritt zurück.
    Ich habe Angst.
    Wie ich in meinem Wohnzimmer stehe, bei brennenden Lampen und geschlossenen Fenstern, inmitten meiner Habseligkeiten, die ausgebreitet daliegen wie auf einem Basar, überfällt mich die Angst.
    Angst vor dem, was passiert. Vor dem, was ich nicht weiß. Vor dem Menschen, der vor mir steht. Den ich seit Ewigkeiten kenne und doch nicht kenne.
    »Wer bist du?«, frage ich noch einmal. Und diesmal klingt meine Stimme schriller.
    »Ich habe es dir gesagt. Einer, der …«
    Ich lasse ihn nicht ausreden. Der Damm bricht, die Wut wegen zu vielen Schweigens, zu vieler Geheimnisse, wegen der Vergangenheit, die ich nicht durchschaue und durchschauen will. Wegen dieses Wissensdranges, den ich nicht stillen kann.
    Ich gehe auf ihn los und packe ihn bei der Jacke. Ich brülle.
    »Wer zum Teufel bist du? Wer zum Teufel seid ihr alle?«
    Ich schüttele ihn. Er packt mich bei den Handgelenken, ich rüttele noch heftiger. Dränge ihn gegen die Wand, komme ganz nah an sein Gesicht heran und senke die Stimme.
    »Du tauchst nach fünf Jahren aus dem Nichts auf und organisierst dieses Spiel. Rein zufällig am selben Abend, an dem sie in meine Wohnung einbrechen und diesen Saustall veranstalten. Und rein zufällig fragst du mich nach einem uralten Buch und tischst mir dieses Märchen auf. Eine echt gute Ausrede, um bei mir reinzuschneien und ein bisschen

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