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Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Panzerplatte wiederum erheblich zu verbessern. Wir haben Sie das angestellt?«
    Der mit der geschminkten Gesichtsfarbe erhob sich zum dritten Mal und sagte, von häufigen Hustenanfällen unterbrochen: »Es bedarf eines Abstimmens des Kohlenstoff-, Nickelund Chromgehaltes, um dem betreffenden Stahl die gewünschte Härte der Vorderseite durch Abschrecken mit eiskaltem Wasser zu geben und dabei die Rückseite zäh zu erhalten. Wir stellen seit 1895 einen Panzerstahl von 30 cm Dicke her, der so hart ist, daß man Glas damit schneiden kann, auf der Rückseite jedoch so zäh, daß keine Sprünge entstehen. Wir benutzen dazu das bekanntlich kohlenstoffhaltige Leuchtgas, das wir über die glühenden Platten leiten, wobei der Kohlenstoff aus dem Gas sich abscheidet und von den Platten wie von einem Schwamm aufgesogen wird. Je länger das Leuchtgas einwirkt, um so tiefer wird der Stahl durch den Kohlenstoffanteil gehärtet.«
    »Danke sehr, Krupp, vielen Dank«, sagte der Kaiser. »Und hüsteln Sie nicht so viel, oder haben Sie etwa Pseudokrupp?«
    Es wurde erneut und anhaltend gelacht. Die Schiffssirene heulte. »Wissen Sie, meine Herren, mein Freund, der wahre Geheimrat Friedrich Krupp, ist ein Genie; er baut abwechselnd bessere Panzerplatten und bessere Granaten. Mal macht er die eine, mal die andere Seite der Angelegenheit dadurch wertlos, und alle müssen kaufen. Von dem vielen Geld fährt er dann nach Capri und kauft sich eine Reihe hübscher Knaben und beschießt sie mit seinem Torpedo.« Das Gelächter kam wie auf Kommando.
    Der Kaiser trat wieder an eines der Bullaugen.
    »Es klart auf«, sagte er. »Wir werden dank des neuen Kruppschen Nickelpanzerstahls und der neuen Chromstahlgranaten die Defensiv- und die Offensivkraft unserer Flotte erheblich verstärken können.«
    Während er weitersprach, ging er an seinen Platz zurück, setzte sich in den Sessel, zündete sich eine Zigarette an und parlierte im Salonton weiter.
    »Wir werden noch eine ganze Reihe von capital ships bauen, meine Herren, Schlachtschiffe von unerhörtem Gefechtswert, den wir noch dadurch steigern werden, daß wir dank des neuen Stahls die Armierung dünner machen können, die Schiffe dadurch leichter und schneller. Bedenken Sie, daß der Anteil der Panzerplatten einschließlich der sie verbindenden Bolzen durchschnittlich über 38 Prozent am Gesamtschiffsgewicht beträgt. Jede eingesparte Tonne bedeutet mehr Kohle, mehr Maschinenkraft, größere Schnelligkeit und Reichweite, mehr Munition, höhere Feuerkraft. Die Zukunft unseres Landes liegt auf See.«
    Tirpitz erhob sich und sagte mit dröhnender Stimme: »Sie haben recht, Majestät, die Zukunft unseres Landes liegt auf See. Was uns not tut, ist eine große Flotte, mit der wir die englischen Einheiten nicht zu scheuen brauchen.«
    Der Kaiser nickte gnädig und sagte mit schnarrender Stimme: »Ich werde die deutsche Flotte so ausbauen, daß wir den englischen Marinestreitkräften Paroli bieten können. Deutschland ist eine Seenation. Neptuns Symbol, der Dreizack, gehört in unsere Hand.«
    Er sprang auf und reckte den rechten Arm, als hielte er einen imaginären Dreizack. Offensichtlich war er aufs höchste erregt. »Wie ist das Kräfteverhältnis der Seestreitkräfte zur Zeit, Admiral?« schrie er mit einer plötzlichen Wut, der seine Stimme nicht gewachsen war. Sie schnappte über, als sei er im Stimmbruch.
    »Majestät, die britische Marine besitzt 33 Schlachtschiffe, wir 6. Bei den Kreuzern ist der Unterschied noch größer.«
    Der Bart von Admiral Tirpitz schwankte bedrohlich auf und ab. Irgendwie kam der Mensch mir bekannt vor. Seine hohe, kahle Stirn und die gewaltige Bartmatratze erinnerte mich an den Wirt des Kulturkaffees.
    »Das ist eine Groteske!« schrie Wilhelm. »Unsere Nation hat das Schicksal, zwischen einer unermeßlichen Land- und einer unermeßlichen Wassermasse förmlich eingepfercht zu sein. Wir brauchen Schiffe, Schiffe, Schiffe, die Rettungsboote des Germanentums. Peter der Große hat es schon gewußt, als er seine Schiffe bauen ließ, keine Großmacht kann sich auf Dauer ohne schwimmende Kapazitäten über Wasser halten. Wie viele Schiffe brauchen wir, Tirpitz?«
    »Siebzehn, Majestät.«
    »Warum gerade siebzehn, zum Teufel?«
    »Weil wir Linienschiffe brauchen, um eine gegnerische Flotte zu vernichten. Bei den heutigen Signalmöglichkeiten, die rein optischer Natur sind, können sich im Pulverdampf einer Schlacht höchstens acht in Geschwaderformation fahrende Schiffe

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