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Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman

Titel: Blendwerk - Ein Piet-Hieronymus-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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zurecht, wenn er das vordere Loch zumachte.«
    »Trotz der Wiedervereinigung dieses Landes scheint es hier immer noch Leute zu geben, die Gewalt für eine Antwort auf scheinbar unlösbare Fragen halten. Zum Beispiel, wer ist gut, wer ist böse? Wenn ich den Guten totschlage, höre ich auf, böse zu sein, das ist eine grausame Art der Rechtfertigung.«
    Sie sah mich freundlich an wie eine Lehrerin, die einem Schüler die unbeholfene Ausdrucksweise verzeiht.
    »Dieselben Leute von damals gibt es noch heute. Es gibt Gewalt hinter jeder Tür, auf den Straßen, in der Luft. Manchmal kann man kaum atmen. Es ist ein Irrenhaus, die ganze Welt.«
    Sie wollte mir das Glas wieder vollschenken, aber ich hielt die Hand darüber. Sie schenkte sich ihres voll und trank. Sie wirkte genauso wie am Anfang. Der Alkohol schien keine Macht über sie zu haben.
    Ich versuchte noch einmal, das Gespräch anzufachen. »Es gibt hier eine eigenartige Theatergruppe. Sie nennen sich die Nachtlöhner. Ich habe mit ihnen zu tun gehabt. Es war sehr unangenehm. Man wird das Gefühl nicht los, daß sie auf ihre Weise Gewalt inszenieren. Vielleicht steckt eine politische Absicht dahinter. Ich tappe noch völlig im Dunkeln. Man hat Ihren Sohn unter Druck gesetzt, ihm sehr weh getan. Aber er ist jetzt in Sicherheit. Morgen fährt er in die Türkei, mit einem LKW.«
    Sie lächelte. »Ich weiß, er ist ein bißchen wie Quecksilber. Niemand bekommt ihn ganz zu fassen.«
    »Ein Mensch ist umgebracht worden. Der Maler Derbacher. Kennen Sie ihn?«
    Sie nickte. »Er war ein feiner Kerl. Aber sehr schwach.«
    »Ich werde das Gefühl nicht los, daß es eine Gegenverschwörung gibt. Volz, der ehemalige Koch des Altersheims. Dick, mein Freund, der Buchhändler, Heinz Derbacher, vielleicht auch Ihr Sohn. Da gibt es einen Zusammenhang. Ich fühle es mehr, als ich es beweisen kann. Kennen Sie Volz?«
    »Natürlich kenne ich ihn. Ich war da, als er noch Koch war. Man hat mich dort hineingesteckt, weil ich wegen des Todes meines Vaters Nachforschungen angestellt habe. Du kannst gleich hier bleiben, haben sie gesagt. Anfangs steckten sie mich in eine Zwangsjacke. Sie mußten mich künstlich ernähren. Ich habe auch einen Selbstmordversuch gemacht, den gleichen wie mein Vater, nur meiner war nicht erfolgreich.«
    »Was haben Sie gemacht?«
    »Ich habe die Isolation von einem Kabel entfernt. Dann habe ich die Kupferenden um meine Fußgelenke gewickelt und die andere Seite an einen Stecker angeschlossen. Den Stecker habe ich in die Steckdose gesteckt. Die Gewalt des Schlages war so groß, daß ich unfreiwillig den Stecker wieder herausgerissen habe.«
    Wieder war sie stumm. Das Holz im Kamin knisterte, manchmal knallte es wie Schüsse. »Sie heizen nicht mit Kohle?« fragte ich. »Es gibt genug Holz im Wald«, sagte sie.
    Ich stand auf und griff in den Korb. Er war voller sorgfältig gespaltener Scheite.
    »Sie sind hinter dir her«, sagte sie. Da war es endlich, das vertrauliche Du. Es war, als spräche Schläfti aus ihr. Ich sagte: »Ja, sie sind hinter mir her und hinter Dick, meinem Freund, dem Buchhändler.«
    »Ein feiner Kerl«, sagte sie. »Und was für gute Bücher er hatte. Aber niemand wollte ihn. Sie haben ihm das Leben schwergemacht. Ich glaube, er hat aufgegeben.«
    Ich war so müde, daß mir die Augen zufielen. Sie stand auf und strich mir über die Haare. »Du mußt dich jetzt hinlegen«, sagte sie. »Morgen reden wir weiter. Vielleicht kann ich euch weiterhelfen. Trink noch einen Schluck. Ich mache dir ein Lager.«
    Brav schenkte ich mir nach, nippte an diesem Fusel, sah, wie die Flammen das Holz gierig verschlangen.
    Dann rief sie mich. In einem winzigen Nebenzimmer lag eine Matratze mit einer frisch bezogenen Bettdecke. Ich streckte mich aus und schloß die Augen. Wie einst wartete ich darauf, daß meine Mutter noch einmal hereinkam, sich auf den Bettrand setzte und leise sang: »Machen wir’s den Schwalben nach...« Aber in Wirklichkeit schlief ich bereits.

Zehntes Kapitel
    E s war schon fast Mittag, als ich aufwachte. Nebenan hörte ich Schläftis Mutter hantieren. Es roch nach Kaffee, und allein das tat schon gut. Außerdem war kein Feiertag mehr, Weihnachten war überstanden. Die Geschäfte hatten geöffnet, es gab wieder Zeitungen, und der Gedanke, daß ich mir ein Glas Rollmöpse kaufen konnte, brachte mich vollends auf die Beine.
    Ihr ganzes Gesicht überzog sich mit Lachfalten, als sie mich sah. »Mein Zeug bekommt dir wohl nicht. Ich gebe zu,

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