Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)
in dem endgültigen Satiremagazin Titanic erschienen sind. Sie wurden für dieses Buch noch einmal komplett überarbeitet, aktualisiert und zum Teil stark erweitert. Um das bereits gesammelte China-Wissen abzurunden, wurden außerdem einige völlig neue Lektionen hinzugefügt. Titanic-Leser wissen natürlich auch, dass als Autor der Kolumne ein gewisser Walter Myna angegeben wurde. Vielfach wurde bereits vermutet, dass ich mit ihm identisch sei. Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht völlig richtig. Tatsache ist, dass ich einige meiner eigenen Charakterzüge in meinem Freund Myna wiedererkannte, als ich ihn vor nunmehr sechs Jahren im Singapurer Mitre-Hotel kennenlernte. Wahr ist auch, dass ich die Titanic-Kolumne von Anfang an mit Walter Myna zusammen verfasst habe. Er verschwand dann allerdings Ende 2008 aus meinem Leben. Bei unserem letzten Treffen gab er an, von China inzwischen etwas gelangweilt zu sein. Er plante, sich ins Grenzgebiet zwischen Myanmar und Thailand aufzumachen, auf der Suche nach neuen Abenteuern. Zum Abschied vermachte er mir sämtliche Rechte an unseren gemeinsamen Kolumnen sowie das Y. aus seinem Namen, von dem ich allerdings schon vorher Gebrauch gemacht hatte. Mit dem Verschwinden Mynas – der ja jetzt wohl Mna heißen muss – endete auch die Kolumne in der Titanic. Sie wird seitdem unter meinem eigenen Namen und unter einer anderen Überschrift in der Berliner tageszeitung fortgeführt.
Meine Dolmetscherin aber, von der in diesem Buch auch immer wieder mal die Rede ist, lebt nach wie vor in meiner Nähe. Hinter dieser Umschreibung verbirgt sich nämlich niemand anderes als meine Frau Yingxin. Ihr und ihrer Familie habe ich es zu verdanken, dass ich als jemand, der immer noch nicht viel Chinesisch kann, tiefere Einblicke in die chinesische Welt erhalten habe, als sie Sandra Maischberger oder Christine Morgenroth je haben werden. Yingxin hat – neben anderen – auch den gesamten Unterrichtsstoff dieses Crash-Kurses auf seinen Wahrheitsgehalt geprüft und mir immer wieder mit Tipps und Übersetzungen aus chinesischsprachigen Medien geholfen. Sie taucht in den einzelnen Lektionen nur deshalb nicht als meine Frau auf, weil komische Texte, in denen Ehefrauen vorkommen, fast immer zum Gähnen öde sind.
Und noch eine letzte Bemerkung, bevor es wirklich losgeht: Natürlich wird in diesem Buch verallgemeinert, wenn ich hin und wieder von «den Chinesen» spreche. Und selbstverständlich ist das ungerecht, weil es «die Chinesen» ebenso wenig gibt wie «die Deutschen». Doch anders als mit ungerechten Verallgemeinerungen lassen sich manche Beobachtungen nicht auf den Punkt bringen, zumal, wenn man sie, so wie ich, gerne etwas zugespitzter formuliert. Sollte sich aber ein Chinese durch irgendeine Formulierung oder Behauptung hier verletzt fühlen, kann ich ihn nur bitten, zurückzuschlagen. Ich würde jedenfalls zu gerne ein ähnliches Buch wie dieses hier von einem chinesischen Autor über «die Deutschen» lesen, je ungerechter, komischer und gemeiner, desto besser. Dafür verspreche ich, dass der Titel meines Buches das allerletzte L-Wortspiel sein soll, das ich im Zusammenhang mit der chinesischen Sprache gemacht habe. Ich schwöle!
I Vorschule
1 Die chinesische Vorschule
Wer beschließt, sich in China niederzulassen, der ist gut beraten, sich zunächst einige Zeit in Singapur aufzuhalten. Dieser hübsche kleine Stadtstaat liegt an der Spitze der Malaiischen Halbinsel. Er ist damit zwar mindestens zweitausendfünfhundert Kilometer vom eigentlichen China entfernt, aber immerhin zu siebenundsiebzig Prozent von ethnischen Chinesen besiedelt. So kann man sich schon einmal damit vertraut machen, wie es sich mit diesem Menschenschlag so leben lässt. Andererseits ist man noch nicht ganz und gar allein unter den Chinesen: Auf der Insel leben auch eine große Anzahl Malaien, recht viele Inder und sogar Eurasier, die meisten mit portugiesischen oder holländischen Vorfahren. So sollte einem der Übergang von der gewohnten europäischen Gesellschaft zur chinesischen leichter fallen.
Einfacher als in China ist in Singapur schon mal die Sprache. Straßennamen und Fahrpläne kann man lesen, weil sie in lateinischer Schrift geschrieben sind. Man muss auch kein Chinesisch können, um sich zu verständigen. Die Arbeits- und erste Unterrichtssprache hier ist Englisch. In dieser Sprache erscheint auch die Straits Times, die wichtigste Zeitung des Landes. Dazu gibt es eine Reihe von
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