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Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)

Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition)

Titel: Bliefe von dlüben: Der China-Crashkurs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Y. Schmidt
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Der schnellste Weg zum China-Abitur
    Seit mehr als dreißig Jahren öffnet sich China der Welt. Etwa genauso lange wimmelt es im Land auch von westlichen Journalisten und Reportern, die unablässig Bericht erstatten. So sind auf westlichen Fernsehkanälen mittlerweile unzählige China-Features gesendet worden, und es ist tonnenweise Chinaliteratur erschienen. Trotzdem haben fast alle Besucher, die zum ersten Mal zu mir nach Peking kommen, keinen Schimmer, was sie hier erwartet. Kaum einem war vorher wirklich bewusst, dass in China momentan die größte materielle Umwälzung stattfindet, die die Welt je erlebt hat. Und die meisten staunen darüber, wie dieses Land jetzt aussieht und was das für seltsame Auswirkungen auf den Alltag der Chinesen hat.
     
    Diese Ahnungslosigkeit hat mehrere Gründe. Einer ist, dass es einfach einen Haufen von Mythen und Legenden über China gibt, die sich in den Köpfen der Westler festgefressen haben und hier die Aufnahme neuer Informationen verhindern. Ein solcher Mythos ist zum Beispiel, dass die Chinesen rätselhafte Menschen sind, die wir kaum verstehen können. Ein anderer, Chinesisch sei eine nur sehr schwer erlernbare Sprache. Ein schönes Beispiel für eine im Westen nicht auszurottende Überzeugung ist auch der Glaube, die Chinesen könnten kein R aussprechen. Tatsächlich sind sie dazu sehr wohl in der Lage. Für die Pekinger ist das typische Pekinger «r», das sie im Mund rollen wie die Siegerländer, sogar so etwas wie ihr Dialektmarkenzeichen schlechthin. Sie lieben diesen Konsonanten so sehr, dass sie ein n am Ende eines Wortes gerne durch ein r ersetzen.
    Dafür ist im Westen kaum bekannt, dass viele Südchinesen kein Sch sprechen können, worüber sich die Nordchinesen nicht wenig lustig machen. Und keiner außer mir weiß, dass meine anmutige Dolmetscherin eine leichte H-Schwäche hat. So sagt sie statt «Gehirn» «gering», was sehr lustig klingt. Ich muss trotzdem jedes Mal widersprechen. Gering ist das Gehirn meiner Dolmetscherin nämlich nicht, denn sonst könnte sie mir ja wohl kaum Chinesisch so perfekt ins Deutsche übersetzen. Andererseits können tatsächlich manche Chinesen kein R schreiben, wie man auf dem chinesischen Cover einer Johnny-English-DVD nachlesen kann: «He kmows no feal, he knows no dangel, he kmows nothing», vgl. auch Seite 71. Nur aus diesem Grund ist das L-Wortspiel im Titel dieses Buches auch gerade noch so gerechtfertigt. Eigentlich wurde es aber nur um der besseren Verkäuflichkeit willen gemacht. In Deutschland findet man halt Bücher über China mit R-L-Fehlern sehr komisch.
     
    Ein anderer Grund für die Unkenntnis im Westen ist paradoxerweise die Berichterstattung etlicher Journalisten. Dabei ist den wenigsten, die mit mir in China leben, etwas vorzuwerfen. Die meisten sind alte China-Hasen, die ihre Kundschaft zu Hause nach bestem Wissen und Gewissen mit Nachrichten und Einschätzungen beliefern. Das falsche Bild wird in der Regel zu Hause gemalt, von den Redaktionen, die die Informationen auswählen, kommentieren und bewerten. Menschenrechtsverletzungen, Umweltskandale, Bauernaufstände und Krawalle von Minderheiten gehen bei ihnen immer gut, gern wird auch etwas Folklore genommen. An positiven Meldungen, wie und warum China wirklich funktioniert und wie der durchschnittliche chinesische Großstädter so lebt, besteht dagegen weniger Interesse.
    Dazu kommen die Berichte von Journalisten, die sich nur für ein paar Wochen in China aufhalten und sofort meinen, den vollen Durchblick zu haben. Ein schönes Beispiel für diese Spezies sind die Talkshowtante Sandra Maischberger und der Sportchef des Hessischen Rundfunks, Ralf Scholt. Beide glaubten offenbar, geschätzte zehn Minuten China-Briefing reichten aus, um die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking kommentieren zu können. Beim Einmarsch der Nationen ins Olympiastadion erzählten sie ihrem Millionenpublikum neben vielem sonstigen Unsinn, die deutsche Delegation würde das Stadion später als bei anderen Spielen betreten, weil sich die Reihenfolge der Mannschaften nach dem «chinesischen Alphabet» richte. Nun haben die Chinesen überhaupt kein Alphabet, sondern Zeichen, was etwas radikal anderes ist. So konnte sich der Einmarsch eben nicht nach der Reihenfolge der Anfangsbuchstaben der Ländernamen richten, sondern musste sich an der Komplexität der Zeichen orientieren, die im Chinesischen für das jeweilige Land stehen. Die Länder, deren Zeichen sich aus wenigen

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