Blind Date mit Folgen - Roman
wurzelte, die militärische Ausbildung verhelfe ihm dazu, seine Familie in Zukunft vor solchen Gefahren zu beschützen. Für sie war das Wunschdenken, denn er konnte ja nicht Tag und Nacht über seine Familie wachen. Jedoch behielt sie diese Gedanken für sich.
Als sie sich kennenlernten, war Yaron 21. In zwei Jahren wollten sie nach Tel Aviv ziehen, damit er ein Abendstudium auf der Ingenieurfachschule absolvieren konnte, während er tagsüber in die Firma seines Vaters eingeführt wurde, um diese nach dessen Pensionierung zu übernehmen. Außerdem würde er dann offiziell zum Teilhaber und Nachfolger ernannt, was für ihre bevorstehende Ehe auch finanzielle Sicherheit versprach. In Tel Aviv würde sie auch endlich ihr Sprachstudium beginnen.
Nach sechs Monaten schenkte ihr Yaron einen Ring mit einem kleinen Diamanten und fragte sie, ob sie seine Frau werden wolle. Es wäre nie etwas anderes für sie infrage gekommen und obwohl ein halbes Jahr keine lange Zeit war, sagte sie ja. Wie in einer Seifenoper schossen ihr dabei Tränen in die Augen. Es war eben so romantisch.
Im Stillen und ohne Familie verlobten sie sich und beschlossen, ihre Hochzeit später mit allen zusammen über den Hügeln von Tel Aviv zu feiern.
Das Schicksal wollte es anders: Drei Tage vor Beendigung seiner Dienstzeit explodierte bei einer einfachen Übung eine Granate. Yaron war auf der Stelle tot. Die Nachricht wurde ihr durch ein Schreiben der IDF per Taxi überbracht. Als es klingelte, lief sie von ihrem Zimmer im ersten Stock des kleinen Wohnhauses zur Tür und blieb wie angewurzelt stehen, als sie das Taxi am Gehsteig geparkt und den Fahrer vor der Tür stehen sah. Yaron hatte ihr einmal erzählt, dass schlechte Nachrichten oft auf diese Weise von der Armee gehandhabt wurden – anders als in Amerika, wo beim Tod eines Soldaten stets zwei Armeeangehörige persönlich vorbeikamen, um ihr Beileid auszudrücken. Als ob es gestern gewesen wäre, erinnerte sie sich an den Gesichtsausdruck des Chauffeurs, als er ihr das Schreiben aushändigte. Starr und unbeweglich. Es war wohl nicht das erste Schreiben, das er den Angehörigen eines toten Soldaten übergab. Während er wieder in sein Taxi stieg – ohne eine Spur von Mitleid oder Empathie –, öffnete sie den Umschlag mit zittrigen Händen und betete, dass es nicht wahr sein möge. Um sie herum zwitscherten die Vögel, zwei Mädchen spielten im Garten vor dem Haus Federball, ein dunkelgrüner Lieferwagen fuhr die Einfahrt hoch, während ihre Welt zerbrach. Es sei ein Unfall gewesen. Maira hatte die Leiche nie gesehen. Ihr wurde gesagt, die Überreste von Yarons Körpers seien durch die Explosion und das Feuer vollständig verbrannt, und es sei kein Einzelfall; die IDF verzeichne jährlich 30 bis 40 solch tragischer Vorkommnisse. Welch ein Trost. Die Beerdigung fand in Haifa statt, Yarons Heimatstadt. Maira begegnete dort zum ersten Mal seinen Eltern. Dem Vaterland zu dienen, war in den Augen von Yarons Eltern die größte Aufgabe und dafür musste man auch den Tod in Kauf nehmen, hatten sie ihr später beim Totenmahl erklärt, nachdem Maira aus ihrem tranceähnlichen Zustand halbwegs aufgewacht war.
Mit dieser Überzeugung hatten sich Ralph und Rachel Sadit getröstet, gegenseitig gestützt und auch versucht, Maira diesen Glauben weiterzugeben. Vor ihrer Reise nach Israel wäre ihr diese Denkweise absolut fremd gewesen, man konnte doch nicht das Vaterland über ein Menschenleben stellen, nie und nimmer! Aber die Zeit, die sie dort verbracht hatte, hatte ihre Einstellung geändert und sie gelehrt, den ungebrochenen Willen und die Aufopferung für das heilige Land, dem die Menschen so viel Liebe entgegenbrachten, zu verstehen.
Da sie sich eine Zukunft in Israel ohne Yaron nicht vorstellen konnte, kündigte sie ihre Stelle in Yotveta und kehrte innerhalb weniger Wochen in die Schweiz zurück.
Das war vor knapp zehn Jahren gewesen. Trost fand sie kaum in der eigenen Familie. Ihr Bruder Louis war zu sehr mit der Arbeit in seinem Tanzstudio beschäftigt gewesen, als dass er ihr hätte beistehen können und ihre Eltern ließen sich gerade scheiden und hatten mit sich selbst genug Probleme.
Das Verhältnis zu ihrer Mutter war immer schon distanziert. Mairas Bezugsperson war seit jeher ihr Vater gewesen, aber wie Louis wohnte er in Genf, wo sie aufgewachsen war, sodass sie sich nur selten sahen.
Maira wusste, dass ihr Vater Yaron gemocht hätte, sehr sogar. Es war traurig, dass sie sich
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