Blind Date mit Folgen - Roman
nie begegnet waren. Yaron. Seit geraumer Zeit hatte sie nicht mehr so intensiv an ihn gedacht und ausgerechnet jetzt, beim Chat mit irgendwelchen Fremden stiegen die Erinnerungen in ihr wieder hoch.
FEUER33:
Auch ich halte, was ich verspreche. Wer von uns beiden wohl mehr zu versprechen hat?
Sie hatte ganz vergessen zu antworten. Eilig tippte sie ein:
an FEUER33 von SECRETS:
Secrets sind da, um gelüftet zu werden …
Fünf Minuten vergingen, es kam keine Antwort. Sie sah, dass FEUER33 gar nicht mehr eingeloggt war, logisch, wenn sie so lange für eine Antwort benötigte. Wenn es sein sollte, würde sie ihn wiedertreffen, ansonsten war es auch egal.
Da sie keine Lust mehr auf einen Chat hatte, loggte sie sich ebenfalls aus.
6
Das Abendessen mit Deborah und Michel verlief trotz des Zanks am frühen Abend fröhlich. Alex hatte den Tisch im Esszimmer gedeckt und bot sich nun an, seinem Sohn das Essen in kleine Stücke zu schneiden. Da Küche und Esszimmer aus einem großen Raum bestanden, der nur durch die Kochinsel getrennt war, sah er, was es heute Leckeres gab: zur Vorspeise eine köstliche duftende Kartoffelsuppe, danach Steak mit Kartoffelpüree und grünen Bohnen, dazu eine Rahmsoße mit Pfefferkörnern. Auch das beherrschte Deborah: Ein richtig feines Mahl zu kochen. Gutes Essen war ihm wichtig und gehörte zu den wenigen Highlights des Tages. Michel saß in seinem Kindersessel am langen Glastisch in den Startlöchern. Normalerweise wusste er sich am Tisch tadellos zu benehmen. Heute geduldete er sich jedoch nicht, bis alle saßen, sondern langte zu, noch bevor Alex mit dem Schneiden fertig war. Sobald er das Stück Fleisch im Mund hatte, spuckte er es auch schon wieder in hohem Bogen aus. Deborah, die mit umgebundener Schürze an der Kochinsel stand blickte auf, aber statt Michel zu tadeln, brach sie in Gelächter aus. Alex bückte sich und hob den Klumpen vom Boden auf.
»Alex, was für Riesenstücke schneidest du denn?« Sie kam herbei und stellte die Suppenschüssel auf den Tisch. Der aromatische Duft hatte sich schon im ganzen Raum ausgebreitet und er merkte, wie hungrig er war.
»Das ist doch viel zu groß, kein Wunder, dass er es ausspuckt.«
Nun lachte auch Alex mit. Michels Gesicht erhellte sich, da er erkannte, dass er der Grund ihres Gelächters war.
»Ich wollte doch nur behilflich sein«, erklärte Alex und warf das Fleisch in den Mülleimer.
Deborah inspizierte Michels Teller und zeigte sich mit dem restlichen Geschnipsel zufrieden. »So, Michel Schatz, du isst jetzt weiter, und du …«, wandte sie sich an Alex und zog dabei eine Augenbraue hoch, »du schöpfst die Suppe und schenkst den Wein ein.«
Das tat er nur zu gern, wenn er dadurch ihre gute Laune erhalten konnte. Das weitere Abendessen verlief harmonisch.
Nachdem Alex später den guten Hausmann gemimt, das Geschirr in der Spülmaschine verstaut und den Müll hinausgetragen hatte – etwas, das er zugegebenermaßen viel zu selten tat –, nahm er das kürzlich erstandene Buch von Michel Houellebecq aus dem Regal und ließ sich in den Designersessel im Wohnzimmer fallen. Augenblicklich meldete sich sein Rücken, denn bequem war der Sessel nicht wirklich, dafür sah er unerhört schick aus, und darauf hatte Deborah bei der Zusammenstellung der Möbel großen Wert gelegt. Um aufs Sofa hinüberzuwechseln, war er jedoch zu faul.
Er hörte, wie sie mit Michel in seinem Zimmer beschäftigt war. Sie wollte ihm seit Neustem das Malen beibringen – eine große Leidenschaft von ihr und die selbst bemalten Vasen und Krüge bevölkerten langsam aber sicher die ganze Wohnung – und verbrachte nun viel Zeit mit Michel und dem Malkasten. Man könnte sagen, sie widmete sich eigentlich die meiste Zeit ihrem Sohn oder dem Malen, wenn sie zu Hause war. Nicht, dass es ihn groß störte. Außerdem sei das normal, sagte zumindest Chris, als er das Thema einmal ansprach, Mutter-Kind-Beziehungen seien von Natur aus tiefer und inniger. Das war auch völlig okay. Doch diese ungeteilte Aufmerksamkeit, wie sie sein Sohn genoss, bekam er nur, wenn es um das Bezahlen von Rechnungen oder Alltagsprobleme ging.
Alex begann zu lesen. Seine Augenlider wurden jedoch nach wenigen Seiten so schwer, dass er bald darauf einnickte.
Als er erwachte, tat ihm der Nacken weh. Verfluchter Sessel! Er hörte Geräusche im Bad und sah auf seine Armbanduhr. Er hatte fast zwei Stunden geschlafen. Es war bereits nach zehn und draußen hatte es
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