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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Thompson
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verschütteten Kaffee und verzog ihre Pickel zu einem verdrießlichen Stirnrunzeln.
    Ich spürte, wie meine Wangen anschwollen; ich pustete sie vor unterdrücktem Lachen auf. Ihre Pickel wurden röter und schienen jeden Augenblick platzen zu wollen.
    »Stimmt was nicht, Sir?«, brummte sie.
    »N-nein.« Ich schüttelte den Kopf.
    »Möchten Sie noch was?«
    »Nein, n-nein. N-nur …« Ich brach in schallendes Gelächter aus. »Bleiben Sie nur so, wie Sie sind! Ä-ändern Sie – ha, ha, ha – nichts! Bleiben Sie dreckig und dumm und – ah, ha, ha, ha – faul, dann reißen Sie die ganze Menschheit mit sich! Sie brauchen überhaupt nichts zu tun, außer – ah, ha, ha, ha – Himmel, ist das komisch!«
    Ich gab auf und warf ihr etwas Geld hin. Sie war zu perfekt, um schon sterben zu müssen, doch ich wusste, ich hätte sie jeden Augenblick umbringen können.
    Beinahe hilflos vor Lachen, lehnte ich mich an die Hauswand. Als ich mich wieder im Griff hatte, ging ich nach Hause. Nach ein paar Blocks erinnerte ich mich an diesen Schriftsteller, von dem ich Ihnen berichtet habe, Thomas oder Tomlinson oder etwas in der Art – und musste wieder lachen.
    Tomlinson oder wie zum Teufel er auch hieß, hatte mir versichert, dass es in jedem Restaurant eine solche Kellnerin gab wie jene, die ich gerade zurückgelassen hatte. Sie wurde unter den Dielenbrettern auf dem Klo versteckt und blieb dort die meiste Zeit in verstunkener Einsamkeit. Wenn dann ein Kunde hereinkam, dem es offenkundig nicht sehr gut ging – und der sich somit leichter in den Wahnsinn treiben ließ –, dann holte man sie aus ihrem Loch hervor. Ruckzuck waren ihre Fingernägel und Pickel wieder blutrot lackiert. Blitzschnell wurde ihr ein toter Fisch zwischen die Beine gestopft, und sie erhielt einen betäubenden Schlag auf den Kopf. So stinkend, abstoßend und betäubt wurde sie dann zu dem auserwählten Kunden geschickt.
    »Ich weiß, wovon ich spreche«, meinte Tomlinson. »Das passiert mir andauernd.«
    »Aber wozu wollen die, dass den Leuten übel wird und sie sich ärgern?«, fragte ich.
    »Aah«, machte er weise. »Aah. Um sie in den Wahnsinn zu treiben, natürlich. Um sie umzubringen.« Dann erklärte er mir das Ganze in aller Ausführlichkeit.
    Diese besondere Kellnerin, so sagte er, wurde nur auf bestimmte Personen losgelassen. Die Sensiblen, also die Intelligenten – jene, die vom Leben sowieso schon mehr als genug hatten. (Und jeder sensible, intelligente Mensch jenseits der Pubertät hat mehr als genug vom Leben.) Nur für sie also waren Tod und Demenz bestimmt, die Hirnlosen und Wertlosen durften weiterleben.
    »Es sind nicht die Sanftmütigen, die das Erdreich besitzen werden«, schloss er. »Es sind die Schwachsinnigen. Schauen Sie sich doch nur mal um, falls Sie mir nicht glauben.«
    Im Großen und Ganzen hatte er wohl recht. Allerdings sollte es eine Ausnahme von der Regel geben. Wenn es Zeit war, das Erbe zu teilen, würde Carol leer ausgehen.
    Ich dachte an sie, als ich in die Nähe der Wohnung kam. Ich dachte, sie würde die Ausnahme von einer weiteren Regel sein, derzufolge es unmöglich war, einen Schwachsinnigen in den Wahnsinn zu treiben. Carol war bereits auf dem Wege dorthin, und wie könnte jemand noch hirnloser sein als sie?
    Sie erstaunte sogar mich mit all dem, was sie mir abkaufte. Sie würden es nicht glauben, selbst wenn Sie es sehen würden, verstehen Sie? Sie würden schwören, dass niemand so blöd sein kann. Das ging einfach nicht. Unmöglich, und …
    Ich blieb abrupt stehen, stand verwirrt da, und mein Magen verkrampfte sich schmerzvoll.
    Das konnte sie doch nicht sein …
    Unmöglich …
    Ich stand mitten auf dem Bürgersteig und dachte nach, ließ die anderen Passanten mich umkurven, ignorierte ihr Murmeln und Stirnrunzeln. Ich grübelte über die einzige Alternative zu der unmöglichen Möglichkeit ihrer Nicht-Dummheit nach und schüttelte schließ lich den Kopf.
    Selbst wenn sie nicht das erzdumme Häschen war, das sie zu sein schien, folgte daraus noch nicht, dass sie übermäßig klug war. Also klüger als ich, denn das musste sie sein, um mich täuschen zu können. Natürlich gibt es so etwas wie Bauernschläue, was nichts mit Intelligenz zu tun hat, aber häufig ebenso wirkungsvoll sein kann. Aber – Carol?
    Carol bauernschlau und gerissen? O nein! Tausendmal nein!
    Überhaupt, was wäre denn ihr Motiv dafür, sich schwachsinnig zu stellen, während sie in Wirklichkeit das genaue Gegenteil war? Mich

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