Blind vor Wut
entfernt ähnelte. Sie lächelte mich sehr fein an, bedeutete mir, ihr zu folgen, und führte mich in Dr. Barnsdalls Sprechzimmer.
»Mr. Lonsdale scheint sich heute nicht sehr wohlzufühlen«, erklärte sie. »Ich dachte, Sie sollten ihn vielleicht etwas früher sehen.«
Der Doktor nickte, schickte sie hinaus und drehte sich zu mir um. Er streckte seine Hand über den Tisch, ich legte mein Handgelenk hinein. Er fühlte mir den Puls, nickte und lehnte sich zurück. Es gab ein Sofa in dem Zimmer, aber er forderte mich nicht auf, mich hinzulegen. Keiner der Psychiater, die mich bisher behandelt haben, hat mich jemals dazu aufgefordert.
»Also, Howie«, sagte er nach einer Weile. »Wie ist es Ihnen in letzter Zeit so ergangen?«
»Ach, wissen Sie«, meinte ich und zuckte mit den Schultern. »Comme ci, comme ça.«
»Ich meinte das genau so, wie ich es sagte, Howie. Was haben Sie seit unserem letzten Gespräch getan, das Ihnen den Eindruck vermittelt, sie würden bald dafür bestraft werden?«
»Ich habe nichts getan, wofür ich bestraft werden müsste.«
»Das sind Ausflüchte, Howie.«
»Sie haben eine zweideutige Frage gestellt. Die Tatsache, dass ich wütend bin, weil ich wie ein sabbernder Irrer behandelt werde, heißt noch nicht, dass ich es verdiene, wütend zu sein.«
»Zugegeben«, meinte er und nickte nur. »Ach übrigens, Ihr Wartezimmer-Syndrom – wie ich das in Ermangelung eines anderen Namens nennen will – ist nicht ungewöhnlich. Aber heute schien es ausgeprägter zu sein.«
»Ich schätze, solche Dinge nehmen zu, oder, Doktor?«
Er seufzte, zündete sich eine Zigarette an und warf mir die Schachtel zu. Als ich mir auch eine angesteckt hatte, fragte er mich, ob ich meinen Freund Ignatz Korello in letzter Zeit häufiger gesehen hätte. Ich erwiderte, ich würde keinen Sinn darin erkennen, über Korello zu reden, da er, der Doktor, offenkundig nicht daran glaubte, dass er überhaupt existierte. Barnsdall schüttelte den Kopf.
»Das habe ich nie gesagt, Howie. Ich glaube, dass viel von dem, was er angeblich sagt und tut, nur Ihre eigenen Projektionen sind – er dient lediglich als Spiegel, als Echo, und bricht oder reflektiert Ideen, die die alltägliche Welt missverstehen und/oder ablehnen würde. Ich leugne nicht seine Existenz.«
»Das ist sehr großzügig von Ihnen«, sagte ich. »Ungefähr wie viel von ihm, würden Sie sagen, ist echt und wie viel Projektion.«
»Warum sagen Sie es mir nicht, Howie?«
»Weil es Ihr Job ist, und Sie werden üppig dafür bezahlt.«
»Aber Sie sind doch gekommen, um Hilfe zu suchen.«
»Wofür sonst würde ich Sie bezahlen?«
Dr. Barnsdall grinste und kicherte leise. »Schätze, da ist was dran, nicht? Also, mal sehen …« Er lehnte sich wieder in seinen Sessel zurück und legte die Hände hinter den Kopf. »Ich glaube, ich würde sagen, er ist ein Großteil von beidem; in Wirklichkeit ist er fast ein ebenso großes Konglomerat aus seinen eigenen Ansichten und Gefühlen wie aus den Ihren. Sie ergänzen sich gegenseitig. Deshalb haben Sie ihn ja als Alter Ego gewählt.«
Ich fragte ihn, wie ich denn zwischen Realität und Projektion unterscheiden könne. Dr. Barnsdall entgegnete nur träge, dass das für mich gar nicht notwendig sei, und fügte nach einem Augenblick hinzu, dass ich die beiden durchaus unterscheiden könne, wenn ich nur wolle. Nach einem weiteren langen Augenblick meinte er noch, dass jener Teil von Ignatz ( Itzop ), der auf harmlose Weise interessant und amüsant sei, wahrscheinlich er selbst sei, während es sich bei dem Rest um meine Projektionen handeln würde.
»Mit anderen Worten«, fasste ich zusammen, »ist er gut und ich böse.«
»Hm?« Er runzelte fragend die Stirn. »Fahren Sie fort.«
»Womit?«
»Sie meinten, er sei gut und Sie böse. Das ist ganz allein Ihre Schlussfolgerung. Ich habe lediglich gesagt, dass, wenn man das Harmlose abziehe, der Rest Ihres Freundes Sie wären.«
»Aber … aber …«
»Da liege ich falsch, hm? Er tut die bösen Dinge?«
»Nun ja …« Ich lachte, ahmte sein eigenes leichtes Kichern nach. »Manchmal können sie schon ärgerlich sein. Neulich, zum Beispiel, schenkte er mir eine Tüte voller Hundekot.«
»Ach, wirklich? Hat er in irgendeiner Weise erklärt, warum er Ihnen so etwas schenkt?«
»J…, nein.«
»Er hat nicht ein Wort gesagt, Howie? Er hat Ihnen den Kot vollkommen wortlos überreicht?« Dr. Barnsdall drückte seine Zigarette aus und griff nach einer Pfeife. »Nun? Werden
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