Blind vor Wut
zumute ist, wenn du lieber heimgehen willst …«
»Nein, mir geht es gut. Alles bestens«, sagte ich.
Wieder gaben wir uns die Hand. Ich dankte ihm erneut dafür, dass er mir meine Widerworte verzieh. Dann ging ich hinaus und schloss die Tür hinter mir.
Ich zwinkerte Josie zu und lächelte, als ich an ihrem Schreibtisch vorbeikam, dann bedeutete ich ihr, mir nach draußen zu folgen. Das tat sie, und ich fragte sie, ob ich sie nach der Schule nach Hause begleiten dürfe.
»Nun …« Sie sah mich argwöhnisch an. »Warum denn?«
»Um mich für heute Morgen zu entschuldigen«, antwortete ich, »und mich dafür zu bedanken, was du gerade gemacht hast.«
Josie wies darauf hin, das hätte ich doch soeben getan, warum also noch mehr Zeit mit ihr verbringen? Ich entgegnete, weil ich sie mögen würde und sie besser kennenlernen wolle. Sie zögerte, grübelte, ihre Zungenspitze blitzte zwischen den Zähnen hervor.
»Ich habe dich beim Mittagessen mit den Hadleys sprechen sehen. Liz und Steve. Sag bloß nicht, sie hätten dich nicht nach der Schule zu sich eingeladen.«
»Das haben sie, und ich habe mich hiermit ausgeladen«, sagte ich. »Die kann ich jederzeit sehen.«
»Ach wirklich? Ziemlich selbstsicher, was?«
»Aber nicht wegen mir«, erwiderte ich. »Wegen ihnen. Wegen ihrer Art. Ich könnte ihnen in den Hintern treten, und die würden so tun, als hätte ich ihnen gerade einen Wirbel eingerenkt.«
Josie kicherte. Liz werde ziemlich sauer sein, meinte sie, und dabei tanzten ihre Augen schelmisch, aber okay, wenn ich wirklich wolle. Ja, sagte ich, und wir gaben uns die Hand darauf. Dann kehrte sie in Velies Büro zurück, und ich ging weiter zur Toilette im Kellergeschoss.
Dort traf ich erneut auf einen Schwarzen. Einen Kerl in schwarzer Hose, schwarzem Hemd und schwarzer Lederjacke. Den Kopf hatte er sich kahl geschoren, die umgekehrte Form des Haarfetischismus und eine Art Markenzeichen, wenn man denn genug Ahnung hatte, um es zu erkennen. Er beschirmte eine Zigarette mit der Hand und pustete nach jedem Zug den Qualm zum Fenster hinaus.
»Na, wenn das mal nicht der kleine alte Schwarz-Weiß ist.« Er sprach, ohne dabei die Lippen zu bewegen. »Warum hast du nicht deine hübsche Mama mitgebracht, du halbe Quarknase?«
Ich lächelte ihn an und fummelte in gespielter Nervosität am Kragen meiner Jacke herum. Dabei drückte ich die Rasierklinge heraus, die ich im Stoff versteckt hielt.
»Und warum hast du nicht deine dicke, schwarzärschige Mama mitgebracht, du kugelköpfiger Hurensohn?«, fragte ich zurück. »War wohl zu beschäftigt, ihre Büchse für ’nen Zweier pro Schuss zu verticken?«
Die Leute sind immer ganz überrascht, wenn ich grob werde; dann erstarren sie regelrecht. Ich sehe nämlich so aus, als würde ich nicht mal Ups sagen, wenn man mich vollsülzt. Bevor der Bursche sich noch erholen und sich vergewissern konnte, dass er richtig gehört hatte, war ich schon auf ihn losgestürmt.
Ich verpasste ihm drei Kerben am Schädel, ganz kleine, natürlich. Gerade groß genug, um ihm klarzumachen, zu was ich fähig war, wenn ich es darauf anlegte. Er schreckte auf und wollte schon ausholen. Dann ließ er die Fäuste wieder sinken.
Weil die Rasierklinge an seinem Adamsapfel ruhte. Bereit, ihn zu schälen, wenn er auch nur eine falsche Bewegung machte.
»Bist schnell, Mann«, krächzte er. »Verdammt schnell.«
»Und böse«, ergänzte ich. »Schnell und böse.«
»Und böse. Ich nehm zurück, was ich über deine Mutter gesagt hab.«
»Und ich das über deine.«
Wir grinsten uns an. Ich steckte die Klinge ein, und wir gaben uns die Hand.
Der Bursche hieß Dan – »Doozy« – Rafer. Er sei sauer auf die ganze Welt gewesen, als ich reingekommen sei, weil Velie ihn hart angegangen habe.
»Ich hab versucht, eine kleine Gruppe zusammenzu stellen, weißt du? Ich wollte sie BSC nennen. Black Students Club. Velie behauptet, ich hätte ein paar von den Leuten zu sehr bedrängt mitzumachen.«
»Und was bezweckt der Klub? Schwarzenmist? Suaheli lernen im Schlaf?«
»Sag nicht Mist! Ist doch nichts Falsches dran, Suaheli zu lernen.«
»Nicht für die Trottel, nein.« Ich nickte. »All dieser Schmus von wegen Schwarze Kultur ist für die Trottel ganz okay. Dagegen kann keiner was sagen, ist ’ne gute Tarnung. Aber das ist nicht das, was wir wollen . Ist nur ein Mittel zum Zweck. Erzählen wir ihnen, den braven guten Schwarzen, was von Revolution, dann machen sie sich in die Hose, und die Weißen
Weitere Kostenlose Bücher