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Blind vor Wut

Blind vor Wut

Titel: Blind vor Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Thompson
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lügen doch bei allem, Allen«, sagte ich leise. »Zumindest erzählen Sie die Wahrheit nur dann, wenn es Ihnen passt.«
    »Ich bin nicht schwul!«
    »Wie können Sie da sicher sein?«
    »Weil ich es weiß!«
    Ich schüttelte abfällig den Kopf. »Sie sind doch ein hochintelligenter junger Mann, Allen. Mir zu sagen, Sie seien sich wegen irgendetwas sicher, weil Sie sich sicher sind, ist einfach nur kindisch.«
    »Aber verdammt noch mal …«
    »Jetzt mal langsam, mein Freund«, tadelte ich ihn. »Jede Beziehung ist besser als gar keine. Wenn Sie sich so nehmen, wie Sie sind, wenn Sie dem verborgenen Mann in sich eine Chance geben, sich zu zeigen – eine echte Chance …«
    »Sie meinen, ich soll auf öffentlichen Toiletten herumhängen und Männer anmachen?«, fragte er erschüttert. »Das ist Ihre Lösung des Problems?«
    »Ich meine nichts dergleichen«, widersprach ich, »und es ist keine Lösung, sondern ein Kompromiss. Jemand, der so klug ist wie Sie, wird doch sicherlich subtilere Möglichkeiten finden, seine Verfügbarkeit anzudeuten, und ich sehe nicht, wie Sie bei dem Versuch etwas verlieren könnten.«
    »Und was ist mit meinen Eingeweiden? Wenn ich sie auskotze?«
    »Zumindest wären Sie sich dann sicher«, entgegnete ich, »dass Homosexualität nicht die Wurzel Ihres Problems ist.«
    »Anders ausgedrückt«, meinte Smith, »schlagen Sie also vor, dass ich in einem durchgeknallten Experiment das Versuchskaninchen spiele? Das ist Ihr bester Vorschlag? Bei welcher Postfachadresse haben Sie sich denn Ihr Diplom gekauft, Sie halbgares Arschloch? Von all den inkompetenten Kretins, die sich als Psychiater ausgeben, schießen Sie den Vogel ab! In meinem ganzen beschissenen Leben habe ich noch niemals einen derart abscheulich debilen Dünnschiss aus dem Mund eines … eines …!«
    Plötzlich sprang er auf und trat an den Wasserspender. Er stand ein paar Augenblicke da, trank Wasser und gewann offenbar wieder die Kontrolle über sich. Schließlich nahm er einen frischen Papierbecher aus dem Halter, füllte ihn mit Wasser und brachte ihn mir.
    Natürlich nahm ich diese Geste der Entschuldigung an.
    »Sie müssen wissen, ich bin auf Ihrer Seite, Allen«, erklärte ich. »Mir geht es nur darum, Ihnen zu helfen, und was das Beste für uns ist, mag einem nicht immer so erscheinen.«
    »Und Sie glauben, das ist die einzige Möglichkeit? Ich sollte es mal mit Homosexualität versuchen?«
    »Nicht zur Befriedigung von Bedürfnissen«, erklärte ich, »es sei denn, Sie wollen es. Sehen Sie es vielmehr als einen Weg, um festzustellen, ob so das Verlangen zu wecken ist. Ja, ich fürchte, das ist die einzige Möglichkeit, Allen, zumindest in einem Fall wie dem Ihren, wo das Verlangen so tief verschüttet und so verwoben ist.«
    Ich musste plötzlich gähnen und entschuldigte mich. Ich wollte gerade noch etwas sagen, als ich plötzlich erneut gähnen musste.
    Die blanke Erschöpfung, natürlich. Mein Arzt hatte mich davor gewarnt, mich immer derart unter Stress zu setzen.
    »Uuaah, mal sehen«, sagte ich und gähnte abermals. »Entschuldigung. Wo waren wir stehen geblieben?«
    »Sie wollten mir gerade beichten, dass Sie selbst eine Schwuchtel sind«, sagte Allen, »und Schwuchteln verpassen nie eine Gelegenheit, einem etwas anzudrehen.«
    »Was?« Uuaahh. »Ich muss schon sagen, Allen, dass das Wort Schwuchtel äußerst unangemessen ist für … für …«
    Ich musste innehalten und wieder furchtbar heftig gähnen.
    Ich bemühe mich so sehr, und keiner dankt es mir. Manchmal muss ich fast weinen. Da ist nicht nur die ungeheure Last meiner beruflichen Pflichten, ich muss mich auch noch um nichtige Dinge kümmern, die eigentlich zu Miss Nelsons Aufgaben gehören.
    Ich werde die Frau feuern müssen, ganz einfach. Eine männliche Hilfe wäre viel besser. Wir könnten …
    »Was?« Ich riss den Kopf hoch. »Was haben Sie gesagt, Allen?«
    »Ich sagte, ich habe Ihr Wasser angereichert«, wiederholte er. »Ich habe all den Idioten da draußen was gegeben, einfach nur, weil sie so dumm sind, in der Praxis eines so dummen Arschlochs wie Ihnen zu sitzen.«
    Seine Stimme klang wie in einem Traum. Ich kam mir vor, als hätte ich die Bemerkungen geträumt, die ich ihm zugeschrieben hatte.
    »Nigger zurück in die Klos«, sagte er. »Das ist die einzige Lösung.«
    Ich weiß noch, dass ich müde darüber gelacht habe. Nicken in den Klos! Was für eine Vorstellung! Was sollte denn übertriebene Höflichkeit in den Toiletten überhaupt …

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