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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Erstes Kapitel
I
    Bastian kam als letzter vom Feld, klappte die Zauntür zu, kratzte den Schmutz von der Hacke, legte sie an ihren Platz im Schuppen, wusch sich Gesicht und Hände an der Pumpe. Sein Kopf blieb gesenkt, seine Schultern vorgezogen, weil ihm der Rücken vom vielen Bücken spannte. Vor der Haustür bückte er sich tief zum letztenmal. Er wollte zwei Kartoffeln aufheben, die Dora aus dem Korb gefallen waren. Dabei wurde ihm schwindlig. Einen Augenblick stand er vierbeinig da, die Hände auf der Erde, um nicht umzukippen. Diesen Augenblick lang trug er eine unermeßliche Last auf seinem waagrechten Rücken. Dicht hinter ihm stand der Tod, die Hand erhoben, um noch einen kleinen Brocken zu der Last zu legen: dann war es um den Mann geschafft.
    Er drückte sich noch rechtzeitig vom Boden ab und richtete sich stöhnend auf. In der linken Hand die beiden Kartoffeln, faßte er mit der rechten die Türklinke.
    Der Tür gegenüber hinter dem gedeckten Tisch saß die Frau, neben ihr auf der Bank der Größe nach vier Kinder. Das fünfte Kind hielt sie auf einem Knie. Die unbewegten Gesichter waren verschleiert durch den leichten Dampf, der aus der Schüssel hochstieg. Beim Geruch des Dampfes wurde dem Bauer zum zweitenmal schwindlig, wenn auch nicht so stark. Sein Inneres zog sich zusammen vor Gier. Er hatte nur den einen Wunsch, sich über die volle Schüssel zu werfen, den Kopf im Essen. Er trat neben seinen Stuhl, den einzigen auf der zweiten Breitseite des Tisches.
    Sein Herz klopfte, als sein Kopf tiefer in den Dampf geriet. Er richtete sich aber zurecht, wie er sich vorhin gerichtet hatte. Er zwirbelte sein Bärtchen zwischen Daumen und Zeigefinger. Die Kinder sahen gespannt mit zu, ihre Nasenflügel zuckten. Über die Teller fügten sich die kleinen Dächer aus gefalteten Händen. Endlich erhoben sich in der Stille die ersten Worte des Gebetes, das Bollwerk um die Schüssel.
    Als Bastian bei der Stelle angekommen war, an welcher Gott um Vergebung der Schuld angegangen wird, klapperte draußen die Zauntür. Er hörte, wie sich jemand der Schwelle näherte. Er versuchte mit aller Kraft, diese Schritte zu mißachten, er erhob die Stimme. Keins der Kinder sah auf. Aber an dem tiefen Schatten, der plötzlich die abendliche Stube erfüllte, merkten alle, daß jemand auf der Schwelle stand und mit seiner Gestalt die offene Tür ausfüllte.
II
    Amen. Bastian drehte sich um. Der Mensch in der Tür war ihm unbekannt; einer von den Jungens, wie sie öfter durchkamen. Er trug eine kurze Hose, einen ledernen Gürtel, ein blaues Leinenhemd, einen Rucksack, durch dessen Riemen eine Jacke gezogen war. Sein von Schmutz und Schweiß verkrustetes Gesicht war schüchtern bis auf die schmalen, hellen Augen. Er sagte: »Ich bin Johann Schulz, dem Georg Schulz sein Sohn.«
    Plötzlich setzte die Frau ihr Kind vom Knie auf die Bank und stand auf.
    Sie sagte: »Mein Verstorbener hat doch eine Schwester drüben in Botzenbach gehabt. Die hat einen Schulz geheiratet. Sie sind dann schnell wegverzogen, weit weg, ich glaube, ins Sächsische. Ich habe auch mal gehört, sie sollen Kinder bekommen haben. Er wird wohl von diesem Schulz ein Kind sein. Ich habe dir von diesen Leuten niewas erzählt, weil sie ja zu unserer Zeit gar nicht mehr da waren und weil es eigentlich gar keine richtige Verwandtschaft ist.«
    Bastian sah unschlüssig in das fremde Gesicht, dann sah er vom Gesicht auf die Schuhe. Die waren für andere Füße eingekauft; die runden, schlecht gesteppten Knöchelflecken saßen nicht da, wo jetzt die Knöchel waren.
    Der Junge ließ sich betrachten, die Türklinke in der Hand. Auch ihn machte der Geruch des Essens schwindlig. Er rieb seinen Hinterkopf an der Tür, die schicken mich weg, die schicken mich nich weg, Gottogott, Gottogott.
    Bastian sah von den Schuhen zurück ins Gesicht. Auf einmal kam es ihm vor, nicht nur von Dreck sei das Gesicht ganz grau. Wie er fester drauf sah, wurde es unter den Lidern bläulichgrau. Bastian sagte – ungern: »Wenn’s Ihnen nich auf die Zeit ankommt – setzt Euch.«
    Die Kinder starrten den Gast an. Die Frau richtete einen Teller auf der Schmalseite des Tisches und legte eine Brotscheibe dazu.
    Der Gast packte das Brot mit seiner ganzen Faust, ohne abzuwarten, bis alle Teller gefüllt waren. In großer Qual, als könnte er auch jetzt noch verhungern, den harten Bissen im Mund, zerrieben seine Zähne das altbackene Brot. Die Kinder erschraken. Seine Zähne erschienen ihnen zackig und

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