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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Kellnerin.
    »So was passiert nun mal.«
    »Es tut mir wirklich leid«, sagte die Kellnerin noch einmal. »Aber das ist noch lange kein Grund, mich so anzufahren.«
    »Sie hat sich verbrannt. Wundert mich, dass Sie Ihnen nicht noch schlimmere Sachen an den Kopf geworfen hat.«
    »Ich hab's gleich gewusst«, sagte die Kellnerin. »Schon als Sie reingekommen sind, hab ich gewusst, was ich da vor mir habe. Aber ich habe Sie genauso höflich bedient wie jeden anderen auch.«
    »Ach? Sie haben also gleich gewusst, was Sie da vor sich haben? Und das wäre?«
    »Abschaum. Sie sehen aus wie ein Drogendealer.«
    Er musste lachen.
    »Und bei ihr, da reicht doch schon ein Blick, und man weiß Bescheid. Bezahlen Sie die Kleine stundenweise?«
    Er hörte auf zu lachen.
    »Die Rechnung«, sagte er. »Und schaffen Sie mir Ihren fetten Arsch aus den Augen.«
    Sie starrte ihn an und verzog den Mund, als wäre sie drauf und dran, ihn anzuspucken. Dann jedoch drehte sie sich um und stakste ohne ein weiteres Wort davon.
    Die Leute an den umliegenden Tischen hatten sofort ihre Unterhaltungen eingestellt und glotzten ihn an. Jude ließ den Blick durch das Lokal schweifen und schaute jedem ins Gesicht, der sich traute, ihn anzustarren. Einer nach dem anderen wandte sich wieder seinemTeller zu. Wenn es um Blickkontakt ging, kannte er keine Angst. Er hatte so viele Jahre in so viele Gesichter geschaut, dass er jedes Augenduell für sich entschied.
    Der alte Mann aus dem American Got/7/c-Gemälde und seine fette Frau waren die Letzten, die noch in seine Richtung schauten. Sie sah aus wie eine Zirkusnummer an ihrem freien Tag. Die dickste Frau der Welt bemühte sich wenigstens noch um etwas Diskretion. Sie tat so, als wäre sie in ihre Zeitung vertieft, und schaute ihn nur aus den Augenwinkeln an. Der alte Mann jedoch starrte ihn aus teefarbenen Augen unverblümt an, taxierend und aus irgendeinem Grund amüsiert. Mit einer Hand hielt er sich den leise brummenden elektronischen Kehlkopf an den Hals, als wollte er gleich einen Kommentar abgeben. Aber er sagte nichts.
    »Gibt's noch was?«, fragte Jude, da sein starrender Blick dem Alten offenbar nicht peinlich genug war, als dass er sich wieder um seinen eigenen Kram gekümmert hätte.
    Der alte Mann hob die Augenbrauen und schüttelte dann den Kopf: Nein, nichts. Mit einem ulkigen kleinen Schniefen senkte er seinen Blick wieder auf den Teller. Den elektronischen Kehlkopf legte er neben Pfeffer und Salz auf den Tisch.
    Jude wollte gerade den Blick abwenden, als der elektronische Kehlkopf zum Leben erwachte. Eine laute, tonlose, elektrische Stimme schnarrte: »DU WIRST STERBEN.«
    Der alte Mann erstarrte und lehnte sich in seinem Rollstuhl zurück. Er schaute verwirrt auf den elektronischen Kehlkopf, als wäre er sich nicht sicher, ob er tatsächlich etwas gehört hatte. Die dicke Frau nahm die Zeitung herunter und schaute mit fragend gerunzelter Stirn zu dem Sprechapparat. Ihr Gesicht war so glatt und rund wie das des Backboys aus der Kuchenteigwerbung.
    »ICH BIN TOT«, schnarrte das Gerät und ratterte überden Tisch wie ein billiges Aufziehspielzeug. Der alte Mann hob es mit zwei Fingern in die Höhe. »DU WIRST STERBEN. WIR WERDEN ZUSAMMEN IM TODESLOCH SEIN.«
    »Was ist los mit dem Ding?«, fragte die Frau. »Empfängt es schon wieder einen Radiosender?«
    Der alte Mann schüttelte den Kopf: Keine Ahnung. Er schaute von dem elektronischen Kehlkopf, der jetzt auf seiner Hand lag, zu Jude. Durch die Brillengläser sahen seine erstaunten Augen größer aus. Der alte Mann streckte die Hand aus, als wollte er Jude das Gerät anbieten. Es brummte und zitterte.
    »DU WIRST SIE TÖTEN WIRST DICH SELBST TÖTEN DIE HUN-DE TÖTEN DIE HUNDE WERDEN DICH NICHT RETTEN WIR WER-DEN ZUSAMMEN UNTERWEGS SEIN HÖR AUF MEINE STIMME BEI EINBRUCH DER DUNKELHEIT WERDEN WIR UNTERWEGS SEIN. ICH GEHÖRE DIR NICHT. DU GEHÖRST M IR. JETZT GEHÖRST DU MIR.«
    »Peter«, sagte die dicke Frau. Sie bemühte sich zu flüstern, aber ihre Stimme erstickte, und als sie die nächsten Worte herausbrachte, klangen sie schrill und zitternd. »Stell das Ding ab, Peter.«
    Peter saß einfach da und hielt Jude das Ding hin, als wäre es ein Telefon und das Gespräch für ihn.
    Jeder schaute sie an. Das Lokal war erfüllt von einem Durcheinander aus ängstlich flüsternden Stimmen. Einige der Gäste waren aufgestanden und starrten herüber, um ja nichts zu verpassen.
    Auch Jude stand jetzt auf. Er dachte: Georgia. Während er sich

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