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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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sollen. Ausden Ohren. Oder der Nase. Verrückte lange Haare würden von meinen Augenbrauen abstehen. Ich würde aussehen wie eine total durchgeknallte Version vom Weihnachtsmann.«
    Georgia hob mit einer Hand ihre Brüste an. »Das Fett blubbert von hier langsam, aber sicher bis runter in meinen Hintern. Ich mampfe nur noch Süßigkeiten, und deshalb fallen mir wahrscheinlich alle Zähne aus. Das Gute dabei: Ich brauche bloß mein Gebiss rauszunehmen, und schon bin ich bereit für einen zahnlosen Alte-Omi-Blow-Job.«
    Er fasste ihr sanft unters Kinn und hob ihr Gesicht an. Er musterte ihre Wangenknochen und die Augen in den tiefen, verquollenen Höhlen, Augen, die ihn mit gequälter Belustigung anschauten, aber ihren Wunsch nicht ganz verbergen konnten, seinem prüfenden Blick standzuhalten.
    »Du hast ein gutes Gesicht«, sagte er. »Gute Augen. Brauchst dir keine Sorgen zu machen. Die Augen sind alles bei alten Damen. Achte drauf, dass du eine alte Dame mit lebhaften Augen wirst. Sieht dann immer so aus, als würdest du an etwas Lustiges denken, als wolltest du auf den Putz hauen.«
    Er zog die Hand weg. Sie schaute lächelnd in ihren Kaffee. Das Kompliment machte sie ungewohnt schüchtern.
    »Das ist ganz meine Oma Bammy, die du da gerade beschrieben hast«, sagte sie. »Du wirst sie mögen. Bis Mittag könnten wir da sein.«
    »Klar.«
    »Meine Großmutter wirkt wie die freundlichste, harmloseste alte Dame, die man sich vorstellen kann. Aber sie konnte einem ganz schön übel mitspielen. Damals, als ich bei ihr gelebt habe, war ich in der achten Klasse. Mein Freund Jimmy Elliott war oft da. Um Kniffel zu spielen, hab ich ihr immer gesagt, aber in Wirklichkeitwollten wir nur an ihren Wein. An den meisten Tagen stand eine halb volle Flasche Rotwein im Kühlschrank, das, was vom Abend vorher übrig war. Sie wusste aber, was wir anstellten, und irgendwann mal hat sie dann purpurrote Tinte in die Flasche gefüllt. Ich hab den ersten Schluck genommen, den ganzen Mund voll, und bevor ich was gemerkt hab, war auch schon alles unten. Als sie nach Hause gekommen ist, hatte ich immer noch einen roten Ring um den Mund, auf dem Kinn waren roten Flecken, und die ganze Zunge war rot. Hat eine ganze Woche gedauert, bis man nichts mehr gesehen hat. Ich hab natürlich gedacht, dass jetzt eine Tracht Prügel fällig ist, aber sie fand das Ganze bloß lustig.«
    Die Kellnerin kam, um die Bestellung aufzunehmen. Als sie wieder gegangen war, fragte Georgia: »Wie ist das, wenn man verheiratet ist?«
    »Friedlich.«
    »Warum hast du dich scheiden lassen?«
    »Hab ich nicht, sie hat.«
    »Hat sie dich in flagranti erwischt, mit dem Staat von Alaska oder so?«
    »Nein. Ich habe sie nicht betrogen – na ja, nicht oft. Außerdem hat sie so was nicht persönlich genommen.«
    »Ach ja, tatsächlich? Wenn wir verheiratet wären und du würdest dir was ins Bett holen, dann würde ich dir das erste Teil, das ich zu fassen kriegte, an den Kopf schmeißen. Und das zweite auch noch. Und ins Krankenhaus würde ich dich auch nicht fahren. Ich würde dir beim Bluten zuschauen.« Sie machte eine Pause und beugte sich über ihren Kaffeebecher. »Also, weshalb?«
    »Schwierig zu erklären.«
    »Warum? Weil ich zu blöd bin?«
    »Nein«, sagte er. »Eher, weil ich nicht schlau genug bin, um es mir selbst zu erklären, geschweige dennjemand anderem. Ich hab ziemlich lange wirklich dran gearbeitet, ein Ehemann zu sein. Dann nicht mehr, und das hat sie einfach gemerkt. Vielleicht hab ich ja auch dafür gesorgt, dass sie es merkt.« Und während er das sagte, dachte Jude daran, wie er angefangen hatte, darauf zu warten, dass sie abends müde wurde und ohne ihn ins Bett ging. Er war dann später nachgekommen, wenn sie schon eingeschlafen und die Gefahr einer Annäherung gebannt war. Oder wie er manchmal auf seiner Gitarre eine Melodie gezupft hatte, während sie ihm gerade etwas erzählte – mittendrin hatte er einfach angefangen zu spielen. Oder dass er den Snuff-Film, anstatt ihn wegzuwerfen, behalten und an einem Ort aufbewahrt hatte, wo sie ihn finden konnte – wo sie ihn seiner Meinung nach finden musste.
    »Das macht keinen Sinn. Aus heiterem Himmel hast du keine Lust mehr gehabt, dich anzustrengen? Sieht dir eigentlich gar nicht ähnlich. Du bist nicht der Typ, der ohne Grund aufgibt.«
    Es war nicht ohne Grund gewesen. Aber welchen Grund es auch gegeben hatte, er widersetzte sich der eindeutigen Formulierung, man konnte ihn nicht in Worte fassen,

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