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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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wunderbar, dass die richtigen Leute eine Wahl gewinnen, auch wenn die andere Seite behauptet, es sei dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen. Und es ist wunderbar, dass sich immer mehr Leute wieder einer Politik zuwenden, die sich des gesunden christlichen Menschenverstands bedient«, sagte die tiefe Stimme. »Aber weißt du, was noch wunderbarer wäre? Wenn du die Schlampe, die da neben dir geht, erwürgen würdest. Wenn du sie erwürgen, dann mitten auf die Straße gehen und dich hinlegen würdest, und wenn dann ein Sattelschlepper …«
    Dann waren sie an dem Pick-up vorbei, und die Stimme war nicht mehr zu hören.
    »Wir schaffen es nicht«, sagte Georgia.
    »Doch, wir schaffen's. Los jetzt, bis zum Motel sind es keine hundert Meter.«
    »Wenn er uns jetzt nicht schnappt, dann schnappt er uns später. Er hat gesagt, ich könnte mich genauso gut selbst umbringen, dann hätte ich es hinter mir, und ich war schon drauf und dran. Ich konnte nichts dagegen machen.«
    »Ich weiß. Das ist seine Masche.«
    Sie gingen an der Straße entlang, ganz außen, am Rand der Standspur aus Kies. Die langen Riedgrashalme schlugen Jude gegen die Jeans.
    »Meine Hand fühlt sich beschissen an«, sagte Georgia.
    Er blieb stehen, nahm die Hand und schaute sie sich an. Sie blutete nicht. Weder der Schlag in den Spiegel noch der gekrümmte Glassplitter, den sie in die Hand genommen hatte, hatten ihr etwas anhaben können. Die dicken Mullpolster hatten die Hand geschützt. Und trotzdem konnte er durch den Verband hindurch die zersetzende Hitze spüren, die den Daumen durchpulste. Er fragte sich, ob ein Knochen gebrochen war.
    »Kein Wunder. So wie du in den Spiegel gedroschen hast. Sei froh, dass du dir nicht die Hand zerstückelt hast.« Er stupste sie an, und sie gingen weiter.
    »Das pumpert wie mein Herz. Womm womm womm.« Sie spuckte aus, dann noch einmal.
    Zwischen ihnen und dem Motel befand sich eine Überführung, eine steinerne Eisenbahnbrücke. Die Durchfahrt darunter war schmal und dunkel. Es gab keinen Gehweg, und auch für eine Standspur, ob links oder rechts, war kein Platz mehr. Von der Steindecke tropfte Wasser.
    »Los, weiter«, sagte Jude.
    Die Überführung glich einem schwarzen Rahmen mit dem Bild des Motels in der Mitte. Judes Augen waren starr darauf gerichtet. Er konnte den Mustang sehen. Und ihr Zimmer.
    Sie gingen in den kurzen Tunnel, der nach abgestandenem Wasser, Unkraut und Urin stank.
    »Warte«, sagte Georgia.
    Dann wandte sie sich ab, beugte sich vor und würgte Eier, halb verdaute Toastbrocken und Orangensaft heraus.
    Jude hielt sie mit einer Hand am linken Arm fest, mit der anderen strich er ihr die Haare aus dem Gesicht. Es machte ihn irgendwie nervös, hier im stinkenden Halbdunkel darauf warten zu müssen, bis sie fertig gekotzt hatte.
    »Jude«, sagte sie.
    »Los, komm schon«, sagte er und zog sie am Arm.
    »Warte …«
    »Los jetzt.«
    Sie wischte sich mit dem Saum ihres Tops den Mund ab. Sie stand immer noch vornübergebeugt da. »Ich glaube, wir …«
    Er hörte den Pick-up, bevor er ihn sah, hörte den Motor hinter sich aufheulen, ein wild grollendes Geräusch, das sich zu einem Donnern steigerte. An der Wand aus groben Steinblöcken flammte Schweinwerferlicht auf. Jude schaute sich um und sah den Pick-up des toten Mannes auf sie zurasen. Am Steuer der grinsende Craddock, die Reifen qualmten, die Suchscheinwerfer zwei blendende Lichtkreise, in die Welt gebrannte Löcher.
    Jude packte Georgia unter der Achsel, schleifte sie weiter und riss sie mit ins Freie.
    Der rauchblaue Chevy krachte hinter ihnen in die Wand, wobei der gegen die Steinmauer prallende Stahl einen ohrenbetäubenden Lärm machte. Jude und Georgia stürzten in den nassen Kiesel am Straßenrand, rollten sich ins Gebüsch und landeten in taufeuchtem Farnkraut. Georgia schrie auf und stach Jude mit ihrem knochigen Ellbogen ins Auge. Als er sich mit der Hand aufstützen wollte, griff er in etwas Matschiges, in kühlekligen Sumpfschlick.
    Er setzte sich auf und schaute sich um. Sein Atem ging stoßweise. Das war nicht der alte Chevy des toten Mannes gewesen, der in die Wand gekracht war, sondern ein olivfarbener offener Jeep mit Überrollbügel. Ein Schwarzer, dessen kurz geschorenes Haar wie Stahlwolle aussah, saß hinter dem Steuer und hielt sich den Kopf. An der Stelle, wo sein Schädel gegen die Windschutzscheibe geprallt war, bildete das Glas ein Netzwerk von ineinander verwobenen Kreisen. Die Vorderseite war links bis zum

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