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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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mein alter Herr nicht mögen wird. Der Junge war jüdisch, und wir haben zusammen Rap gehört. Wenn es was gibt, was mein Stiefvater am meisten hasst, dann ist das Rap. Also sagt mein Stiefvater eines Tages zu mir, dass jetzt Schluss ist, und ich sag, dass ich schon allein weiß, wen ich will. Klar, sagt er, aber das heißt ja nicht, dass der Junge dich noch will. Weiter hat er nichts gesagt, aber der Unterton hat mir gar nicht gefallen.
    Na ja, du weißt ja, dass ich manchmal ziemlich am Boden bin und mir dann ziemlich verrückte Sachen durch den Kopf gehen. Das hat angefangen, als ich so zwölf war, in der Pubertät. Bei einem Arzt bin ich deshalb nie gewesen. Mein Stiefvater hat mich selbst behandelt, mit Schlaftherapie. Er hat es auch geschafft, alles ganz gut unter Kontrolle zu kriegen, solange wir uns ein, oder zwei Mal die Woche zusammengesetzt haben. Ich hab nicht mehr gedacht, dass ein dunkler Laster bei uns ums Haus rumfährt oder dass ich kleine Mädchen sehe, die nachts unter Bäumen stehen und die statt Augen glühende Kohlen im Kopf haben und mich anstarren.
    Aber dann musste er weg, nach Austin, zu irgendeiner Konferenz über hypnologische Medikamente. Normalerweise hat er mich auf seine Reisen mitgenommen, aber dieses Mal bin ich mit Jessie zu Hause geblieben. Meine Mutter war damals schon tot. Jessie war neunzehn und hat sich um mich gekümmert. Und während er weg war, habe ich Probleme mit dem Einschlafen bekommen. Das war immer das erste Zeichen, wenn ich auf ein Tief zusteuerte, Schlaflosigkeit.
    Ein paar Tage später hab ich abends wieder die Mädchen mit den glühenden Augen gesehen. Am Montag konnte ich nicht zur Schule, weil sie draußen unter der Eiche auf mich gewartet haben. Ich konnte nicht aus dem Haus, ich hatte zu viel Angst. Ich hab's Jessie erzählt. Ich hab ihr gesagt, dass unser Stiefvater zurückkommen muss, dass ich wieder alle möglichen schlimmen Sachen im Kopf habe. Sie hat gesagt, dass sie meinen ganzen verrückten Scheiß satt hat und dass er viel zu beschäftigt ist und dass sich das schon wieder gibt, bis er zurückkommt. Sie hat versucht, mich zu überreden, zur Schule zu gehen, aber ich wollte nicht. Ich bin in mein Zimmer gegangen und hab mich vor den Fernseher gesetzt. Aber dann haben sie angefangendurch den Fernseher zu mir zu sprechen. Die toten Mädchen. Haben mir erzählt, dass ich tot bin, genau wie sie, dass ich zusammen mit ihnen in die Erde gehöre.
    Normalerweise ist Jessie so zwischen zwei und drei aus der Schule gekommen. Aber an diesem Nachmittag nicht. Es ist immer später geworden, und jedes Mal wenn ich aus dem Fenster geschaut habe, standen da die Mädchen und haben mich angestarrt. Dann hat mein Stiefvater angerufen, und ich hab ihm gesagt, dass es mir schlecht geht und dass er bitte nach Hause kommen soll, und er hat gesagt, er kommt, so schnell es geht, aber er schafft's nicht vor Mitternacht. Und damit ich mir nichts antue, hat er gesagt, schickt er jemanden vorbei. Dann hat er bei Philips Eltern angerufen, die haben nur ein Stück weiter in der gleichen Straße gewohnt.«
    »Philip? War das der jüdische Junge, dein Freund?«
    »Mhm. Phil ist sofort gekommen. Aber ich hab ihn nicht erkannt. Ich hab mich unterm Bett verkrochen und geschrien, als er die Hand nach mir ausstrecken wollte. Ich hab ihn gefragt, ob er zu den toten Mädchen gehört. Ich hab ihm alles von den Mädchen erzählt. Kurz danach ist Jessie nach Hause gekommen, und eine Sekunde später war Philip weg. Das Ganze hatte ihn derart geschockt, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben wollte. Mein Stiefvater meinte, so eine Schande aber auch, und er hätte gedacht, dass Philip mein Freund ist und dass er Philip mehr als jedem anderen die Aufgabe anvertrauen könnte, auf mich aufzupassen, jetzt, wo es mir wirklich dreckig gegangen war.«
    »Und das macht dir solche Angst? Dass dein alter Herr mir erzählt, du bist verrückt, und ich bin dann so geschockt, dass ich dich nicht wiedersehen will? Also wirklich, Florida. Die Tatsache, dass du ab und an mal neben der Kappe bist, haut mich nun wirklich nicht um.«
    Ein bitteres, leise schnaubendes Lachen. Dann sagte sie: »Das würde er nicht sagen. Keine Ahnung, was genau er sagen würde. Ihm würde irgendwas einfallen, damit du mich ein bisschen weniger magst. Wenn das überhaupt möglich ist.«
    »Wir fangen jetzt nicht wieder davon an, oder?«
    »Nein. Und wenn ich's mir recht überlege, ist es vielleicht besser, du rufst meine Schwester

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