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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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du, wer ihn verteidigt hat?«
    »Da du in diesem triumphierenden Ton fragst, tippe ich auf unseren verstorbenen Freund Olsen.«
    »Genau! Das ist doch immerhin eine Art Zusammenhang.«
    Sie sprach jetzt leiser. »Und er war nicht nur Olsens Mandant, sondern er hatte auch an dem Tag, an dem er ermordet wurde, einen Termin bei seinem Anwalt. Olsens Terminkalender liegt bei Heidi, sie hat den Fall bekommen. Ludvig Sandersen hatte letzten Freitag einen Termin, für den zwei Stunden reserviert waren. Ein langes Gespräch also. Falls es stattgefunden hat. Das wissen wir ja nicht. Ich nehme an, Olsens Sekretärin kann uns das erzählen.«
    Håkon Sand hatte in einem Affenzahn fast alle Schokobonbons verzehrt, seine Kollegin hatte nur wenige abbekommen. Jetzt faltete sie aus dem Goldpapier ein Schiffchen, während sie auf seine Reaktion wartete.
    Plötzlich redeten beide los, und beide unterbrachen sich mit einem Lächeln.
    »Du zuerst«, sagte Håkon Sand.
    »Da ist noch was.« Sie sprach jetzt auffällig leise, obwohl die Kantine fast leer war und der nächste Nachbar fast sieben Meter entfernt saß. »Ich werde das nicht aufschreiben. Und ich erzähle es auch niemandem. Nur dir.« Sie steckte sich kurz die Finger in die Ohren, danach stützte sie die Ellbogen auf den Tisch. »Vor einer Weile mußte ich in Verbindung mit einer Vergewaltigung einen Mann verhören. Er war auf puren Verdacht hin hergezerrt worden, sein Vorstrafenregister beschert ihm immer einen Besuch hier, wenn wir einen Sexfall nicht aufklären können. Wir konnten ihn rasch von unserer Liste streichen. Aber trotzdem war er verdammt nervös. Ich habe damals nicht weiter darauf geachtet, die sind immer nervös, weil sie irgendeinen Dreck am Stecken haben. Aber dieser Typ hatte wirklich Angst. Schon ehe er wußte, was wir von ihm wollten, deutete er ziemlich offen ein Geschäft an. Er hat etwas gesagt, bloß kriege ich den genauen Wortlaut nicht mehr zusammen, über einen Anwalt, der hinter ausgedehntem Rauschgifthandel steckt. Du weißt, wie diese Leute sind, sie lügen schneller, als sie ihre Verbrechen begehen, und scheuen vor wenig zurück, um sich aus einer Klemme zu retten. Deshalb habe ich damals nicht weiter darauf geachtet.«
    Hanne Wilhelmsen senkte ihre Stimme weiter. Håkon Sand mußte sich über den Tisch beugen und den Kopf schräg legen, um sie zu verstehen. Für andere konnte das aussehen wie ein Rendezvous.
    »Ich bin heute nacht aufgewacht und mußte immer an diesen Knaben denken«, sagte sie. »Als erstes habe ich mir heute morgen diesen alten Vergewaltigungsfall herausgesucht und seinen Namen nachgesehen. Rat mal, wer sein Anwalt war!«
    »Olsen.«
    »Genau.«
    Beide blickten auf das diesige Bild der Stadt. Håkon Sand holte einige Male tief Luft und saugte nachdenklich an seinen Schneidezähnen. Er wußte, daß das unappetitlich war, und hörte sofort wieder auf.
    »Was haben wir denn«, sagte er, zog ein leeres A4-Blatt hervor und notierte Zahlen. »Wir haben einen toten Rauschgiftsüchtigen. Einen bekannten und verhafteten Täter, der sich weigert, sein Motiv zu nennen.« Der Kugelschreiber kratzte über das Papier, und in seinem Eifer riß Håkon ein Loch in den Bogen. »Er ist so gründlich umgebracht worden, daß er auch dann nicht überlebt hätte, wenn er neun Leben gehabt hätte. Dann haben wir einen toten Anwalt, der ein bißchen eleganter umgebracht worden ist. Wir wissen, daß die beiden Ermordeten einander gekannt haben. Sie waren an dem Tag verabredet, an dem der erste von ihnen den Löffel abgegeben hat. Was haben wir sonst noch?« Er machte weiter, ohne auf Antwort zu warten. »Einige vage und höchst unzuverlässige Gerüchte über den Rauschgifthandel eines unbekannten Anwaltes. Der Anwalt unseres Gerüchteschmiedes war unser Wiedergänger Olsen.«
    Wilhelmsen bemerkte ein scheinbar krampfhaftes Zucken in Håkon Sands Mundwinkel.
    »Ich glaube, du bist da auf einer Fährte, Hanne. Ich glaube, das könnte ein dickes Ding werden. Aber was machen wir jetzt?«
    Zum erstenmal in diesem Gespräch lehnte Hanne Wilhelmsen sich zurück. Sie schlug mit den Fingern auf dem Tisch einen kleinen Trommelwirbel. »Wir umgeben uns mit dem allertiefsten Schwaaaaigen«, erklärte sie. »Das ist die vageste Spur, mit der ich je gearbeitet habe. Ich halte dich auf dem laufenden. Okay?«
     
    Das Unruhekommando war das schwarze Schaf und zugleich der große Stolz der Polizei. Diese jeanstragenden, teilweise langhaarigen und bisweilen

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