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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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halbbekleideten Frauen. Ihre Busen nahmen drei Viertel der Bilder ein, während die Wochentage unten auf einem schmalen und überflüssigen Streifen verzeichnet waren.
    Eine gute Minute nach dem Bimmeln trat ein Mann aus den hinteren Gemächern. Hanne Wilhelmsen mußte sich den Zeigefingernagel in die Hand bohren, um nicht loszuprusten. Der Typ war das wandelnde Klischee. Er war klein und vierschrötig, kaum über eins siebzig. Seine Hose war aus braunem Terylen, mit eingenähter Bügelfalte. Über dem Knie war die Naht aufgegangen. Es sah komisch aus, der schmale lange Würstchensaum, der sich über dem Knie in einen losen Faden auflöste, um sich fünfzehn Zentimeter weiter oben wieder zu sammeln. Die Hose war bestimmt zwanzig Jahre alt. Jedenfalls war es so lange her, daß Hanne eingenähte Bügelfalten gesehen hatte. Sein Hemd war von der Sorte, die sie auf dem Gymnasium »Nußhemd« genannt hatten, hellblau mit kleinen Rhomben; aus Liebe zur Wahrheit mußte zugegeben werden, daß der Schlips dazu paßte. Auch der war hellblau. Über der ganzen Pracht trug der Mann ein Sakko mit Pepitamuster; ein Knopf fehlte. Das machte nichts, das Sakko war so eng, daß er es unmöglich hätte zuknöpfen können. Auf dem Kopf sah er aus wie ein Igel.
    »Kann ich behilflich sein?« fragte er laut und freundlich. Der Mann mit dem Ohrring schien ihm fast angst zu machen. Offenbar beruhigte Hannes Anwesenheit ihn, denn er strahlte, als er sich ihr zuwandte und sein Angebot wiederholte.
    »Ja, wir würden uns gern einen Gebrauchtwagen ansehen«, sagte Hanne mit leichtem Zögern und warf einen Blick über die Schulter des kleinen Mannes auf eine Tür mit einem Fenster, das in den letzten beiden Jahren wohl kaum geputzt worden war. Sie ging davon aus, daß sich dahinter ein Lagerhaus voller Gebrauchtwagen verbarg.
    »Gebrauchtwagen, ja, da seid ihr an der richtigen Adresse«, lachte der Mann, jetzt noch freundlicher. Er hatte zuerst wohl geglaubt, sie wollten ein Autofeuerzeug, und schien nun die Möglichkeit eines größeren Geschäftes zu sehen. »Wenn die Herrschaften mir folgen wollen?«
    Er führte sie durch die verdreckte Tür, und Billy T. registrierte gleich daneben eine weitere identische Tür. Sie führte in eine Art Büro. Der Ölgestank war nach den vielen Weihnachtsbäumen eine Erleichterung. Es roch nach echten Autos. Der Laden hatte offenbar nicht den Ehrgeiz, sich zu spezialisieren; es gab Ladas und Peugeots, Opel und scheinbar brauchbare vier, fünf Jahre alte Mercedes.
    »Hier habt ihr noch die freie Auswahl! Darf ich fragen, welche Preisklasse das Ehepaar sich so vorgestellt hat?« Er lächelte hoffnungsvoll und schielte zu dem nächststehenden Mercedes hinüber.
    »So vielleicht Drei-, Viertausend«, murmelte Billy T, und der Mann machte seinen nassen Mund so spitz wie möglich.
    »Er macht Witze«, beruhigte Hanne. »Wir haben an die Siebzigtausend, aber das ist nicht unbedingt die Höchstgrenze. Nette Eltern können auch noch was zuschießen«, flüsterte sie vertraulich und beugte sich zu ihm vor.
    Der Autohändler strahlte und nahm ihren Arm. »Dann solltest du mal einen Blick auf diesen Kadett hier werfen.«
    Der Kadett sah ziemlich gut aus.
    »Baujahr siebenundachtzig, nur vierzigtausend gefahren, garantiert; und nur ein Vorbesitzer. Gediegenes Auto. Ich kann einen guten Preis bieten. Einen guten Preis.«
    »Schöner Wagen.« Hanne nickte und bedachte ihren Gatten mit einem unmißverständlichen Blick. Er faßte sich an den Schritt und fragte den Mann im Pepita nach der Toilette.
    »Gleich da draußen, gleich da draußen«, antwortete der freundlich, und Hanne begann sich zu fragen, ob er vielleicht einen Sprachfehler hatte, der ihn zwang, alles zweimal zu sagen. Eine Art avancierte Form des Stotterns, dachte sie. Billy T. verschwand.
    »Nervöser Magen«, erklärte sie. »Er hat heute nachmittag noch ein Bewerbungsgespräch. Jetzt muß er schon zum viertenmal, der Arme.«
    Der Händler bekundete tiefes Mitgefühl und schlug vor, sie solle sich doch mal in den Kadett setzen. Und der war wirklich schön. »Ich kenne dieses Auto nicht«, sagte sie. »Macht es dir was aus, dich neben mich zu setzen und mir alles zu erklären?«
    Das machte ihm überhaupt nichts aus. Er drehte den Zündschlüssel und führte ihr alle Feinheiten vor. »Scharfes Modell«, erklärte er nachdrücklich. »Gediegenes Teil. Unter uns gesagt: Der Vorbesitzer war ein Geizkragen. Aber das Gute daran ist, daß er die Mühle gehegt und

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