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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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gepflegt hat.« Er fuhr über das frischgewaschene Armaturenbrett, ließ die Scheinwerfer aufflackern, regulierte die Rücklehne, schaltete das Radio ein, schob eine Kassette mit norwegischer Countrymusik ein und brauchte unnötig viel Zeit, um Hanne den Sicherheitsgurt umzulegen.
    Sie drehte sich zu ihm hin. »Und der Preis?« Keiner der Wagen wies ein Preisschild auf, was sie seltsam fand.
    »Der Preis, ja, der Preis …« Er kostete dieses Wort ein Weilchen aus und lutschte erst einmal an seinen Zähnen, ehe er ihr ein Lächeln schenkte, das vermutlich freundlich und kameradschaftlich sein sollte. »Du hast Siebzigtausend und liebe Eltern. Für dich sage ich Fünfundsiebzig. Inklusive Radio und neue Winterreifen.«
    Sie saßen nun schon über fünf Minuten im Auto, und langsam sehnte sie sich nach Billy T. Es gab Grenzen dafür, wie lange sie um ein Auto feilschen konnte, ohne es plötzlich gekauft zu haben. Drei Minuten später klopfte er ans Fenster. Sie kurbelte es herunter.
    »Wir müssen los. Wir müssen die Kinder holen«, sagte er.
    »Nein, die hole ich. Du mußt doch zu deinem Bewerbungsgespräch«, korrigierte sie.
    »Ich rufe noch einmal an«, versprach sie dem Terylenmann, der seine Enttäuschung allerdings nicht verhehlen konnte; er hatte den Handel bereits für komplett gehalten. Er riß sich zusammen und reichte ihr seine Visitenkarte. Sie war genauso geschmacklos wie der Inhaber, eine Art dunkelblaues Kunstseidenpapier mit Roger Strømsjord, adm. Dir. in Goldschrift.
    Hochgestochener Titel.
    »Das ist mein Laden«, erklärte er mit bescheidenem Schulterzucken. »Aber du mußt dich beeilen. Diese Wagen sind hier nur auf Stippvisite. Mächtig populär. Mächtig populär, das kann ich dir sagen.«
    Sie bogen um die Ecke, diesmal mit Rückenwind, erreichten ihr Auto und lachten zwei Minuten lang. Dann wischte Hanne sich die Tränen ab.
    »Hast du etwas Interessantes gefunden?«
    Er beugte sich vor und hob eine Arschbacke, um ein kleines Notizbuch aus seiner Hosentasche zu fischen. Er warf es in ihren Schoß. »Das einzige, was da von Interesse sein konnte. Es steckte in seiner Anoraktasche.«
    Hanne Wilhelmsen lachte nicht mehr. »Der Teufel soll dich holen, Billy T.! So was haben wir auf der Polizeischule nicht gelernt. Außerdem ist es verdammt blöd, für den Fall, daß da was von Interesse drinsteht. So können wir es nicht als Beweis verwenden. Ungesetzliche Beschlagnahmung! Wie willst du das erklären?«
    »Jetzt reg dich ab. Das Buch da bringt niemanden hinter Gitter. Aber es kann dir ein bißchen weiterhelfen. Vielleicht. Ich habe keine Ahnung, was drinsteht, ich habe es nur kurz durchgeblättert. Telefonnummern. Sei lieber ein bißchen dankbar!«
    Die Neugier hatte den Ärger der Kommissarin bereits verdrängt. Sie blätterte das Notizbuch durch. Natürlich strömte auch das den Wunderbaumgeruch aus. Es enthielt wirklich eine Menge Telefonnummern. Die meisten standen auf den ersten sechs Seiten, dann Namen in alphabetischer Reihenfolge, danach ging es wild durcheinander. Die letzten Nummern waren namenlos, einige wenige mit Initialen, die meisten aber nur mit kleinen unbegreiflichen Zeichen. Hanne stutzte. Einige Nummern fingen mit Zahlen an, mit denen in Oslo keine Telefonnummer anfing. Vorwahlen waren aber nicht angegeben. Sie blätterte weiter und blieb bei drei Initialen hängen.
    »H. v. d. K.«, rief sie. »Han van der Kerch! Aber die Nummer sagt mir nichts …«
    »Sieh doch mal im Telefonbuch nach«, sagte Billy T. und hatte es schon aus dem Handschuhfach gezogen, ehe Hanne reagieren konnte. »Worunter steht van der Kerch, unter van oder der oder Kerch?«
    »Keine Ahnung, versuch’s einfach.«
    Er fand den Eintrag bei Kerch. Die Nummer stimmte durchaus nicht mit der im Notizbuch überein. Hanne war enttäuscht, hatte aber das Gefühl, irgend etwas an diesen beiden Nummern noch nicht richtig erklären zu können. Etwas ähnliches, so unterschiedlich sie auch waren.
    Sie brauchte dreißig Sekunden, um zu kapieren. »Heureka! Die Nummer im Telefonbuch ist die Nummer im Notizbuch minus der nächsten Ziffer in der Reihe, wenn du auch negative Zahlen mitberechnest, aber das Minus streichst.«
    Billy T verstand nur noch Bahnhof.
    »Hast du nie solche Gesellschaftsspiele mit Zahlen mitgemacht? Dir wird eine Zahlenreihe vorgelegt, und dann sollst du das System entdecken und die letzte Zahl hinzufügen. Eine Art Intelligenztest, behaupten manche, aber ich halte es für ein Gesellschaftsspiel.

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