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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Sieh mal: Die Nummer im Notizbuch ist 932435. Also rechnen wir neun minus drei, macht sechs. Drei minus zwei ist eins, zwei minus vier ist minus zwei, wir scheißen auf das Minus. Vier minus drei ist eins, und drei minus fünf ist minus zwei. Von fünf ziehen wir die erste Zahl ab, neun, das macht minus vier. Die Nummer im Telefonbuch muß dann 612124 sein.«
    »Stimmt.« Er war ehrlich beeindruckt. »Woher in aller Welt weißt du das?«
    »Ja, Himmel, ich wollte doch tatsächlich mal Mathematik studieren. Zahlen faszinieren mich. Das hier kann kein Zufall sein. Schlag mal die Nummer von Jørgen Lavik nach.«
    Sie wandte dieselbe Methode an und hatte Erfolg. Die Nummer stand in kodierter Form auf Seite acht des Notizbuches. Billy T. ließ den Wagen mit einem so triumphierenden Gebrüll an, wie es einem müden Opel Corsa nur zu entlocken war, und bretterte in den grauen Nachmittag hinaus.
    »Entweder kauft Jørgen Lavik viele Gebrauchtwagen, oder das hier ist das Handfesteste, was wir in diesem Fall bisher haben«, sagte Hanne siegessicher.
    »Du bist ein Genie, Hanne«, sagte Billy T. mit einem Lächeln, das sein ganzes Gesicht zerschnitt. »Ein verdammtes Genie!«
    Schweigend fuhren sie weiter.
    »Im Grunde habe ich richtig Lust auf diesen Kadett«, murmelte Hanne, als sie in die Garage des Polizeigebäudes huckelten.

DONNERSTAG, 12. NOVEMBER
    Jørgen Ulf Lavik war so selbstsicher wie beim letztenmal. Håkon Sand kam sich in seiner ausgebeulten Cordhose und dem fünf Jahre alten Pullover mit einem erschöpften, zerknautschten Alligator, dem das Waschwasser nicht bekommen war, blöd vor. Der Anzug des Anwalts stand in schreiendem Widerspruch zu der Theorie, der Mann sei ein Geizkragen.
    »Warum ist der eigentlich dabei?« fragte Lavik Hanne und nickte dabei zu Håkon Sand hinüber. »Ich dachte, die Juristen wären hier für die Sklavenarbeit zuständig.« Beide waren sauer. Was wahrscheinlich beabsichtigt gewesen war.
    »Und was ist heute mein Status?« fragte Lavik weiter, ohne eine Erklärung für Håkon Sands Anwesenheit zu erwarten.
    »Stehe ich unter irgendeinem Verdacht, oder bin ich weiterhin nur Zeuge?«
    »Du bist Zeuge«, antwortete Hanne kurz.
    »Darf ich fragen, was ich bezeugen soll? Ich bin jetzt zum zweitenmal hier. Ich bin ja der Polizei gegenüber positiv eingestellt, wißt ihr, aber ich verweigere weitere Besuche, wenn ihr mir nicht bald konkrete Fragen stellen könnt.«
    Hanne Wilhelmsen starrte ihn sekundenlang an, und er mußte den Blick abwenden. Er sah Håkon Sand spöttisch an.
    »Was hast du für einen Wagen, Lavik?«
    Der Mann mußte nicht einmal nachdenken. »Das wißt ihr doch genau! Die Polizei hat doch beobachtet, wie ich mich nachts mit meinem Mandanten getroffen habe. Volvo, Baujahr einundneunzig. Meine Frau hat einen Toyota.«
    »Habt ihr die neu oder gebraucht gekauft?«
    »Der Volvo war neu. Standard Kombiwagen. Der Toyota war ein Jahr alt, wenn ich mich richtig erinnere. Vielleicht anderthalb.« Noch immer wirkte er sicher.
    »Und den Toyota habt ihr nicht beim Händler gekauft?« regte Hanne freundlich an.
    Das stimmte. Sie hatten den Toyota von einem Kollegen.
    Das Fenster war nur einen knappen Zentimeter geöffnet. Draußen wehte ein kräftiger Wind, und in unregelmäßigen Abständen hörten sie ein klagendes Pfeifen, fast schon ein dünnes Heulen, wenn der Wind über die Metallkante ins Zimmer strich. Es wirkte beinahe beruhigend.
    »Kennst du einen Mann, der in Sagene Autos verkauft?« Sofort bereute sie ihre Frage. Sie hätte klüger vorgehen müssen, eine schlauere Falle stellen. Das hier war überhaupt keine Falle. Anfängerin! Verlor sie ihren Job aus dem Griff? Hatte die Kopfverletzung ihre List, auf die sie so stolz war, beseitigt? Der Patzer brachte sie dazu, an einem Nagel zu knabbern.
    Der Anwalt hatte genügend Zeit. Er dachte gründlich nach, offenbar gründlicher als notwendig. »Ich gebe meine Mandanten ja eigentlich nicht an. Aber da du nun mal fragst: Ich habe einen alten Mandanten namens Roger. Der hat einen kleinen Autoladen, ich glaube, in Sagene. Ich war noch nie da. Mehr möchte ich nicht sagen. Diskretion, ihr wißt schon. In dieser Branche muß man diskret sein. Sonst laufen uns die Mandanten weg.« Er schlug die Beine übereinander und legte die Hände um die Knie. Der Sieg gehörte ihm. Das wußten alle.
    »Seltsam, daß er deine Telefonnummer in einem Code notiert hat.« Hanne Wilhelmsen machte einen Versuch, wenn auch vergebens.
    Anwalt Lavik

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