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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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sie Jakob für ein goldenes Sternchen im Diktatheft lobte.
    Bechner nickte gönnerhaft. «Hartl hat Sagmeister dann zur Rede gestellt. Was sie sich einbilde, einfach fremde Leute abzulichten.»
    Es wurde also doch noch interessant. «Und?»
    «Sagmeister soll pampig geworden sein. Sie würde überhaupt keine Leute fotografieren und schon gar keine hysterischen Golffahrerinnen in der Midlife-Crisis.»
    Das klang genau nach der Ira, die Beatrice kennengelernt hatte, da war es nicht verwunderlich, dass die Frau sich an die Begegnung erinnern konnte.
    «Hartl hat gleich die Gelegenheit ergriffen und mich gefragt, ob man Sagmeister irgendwie für ihre Frechheit drankriegen könnte. Wegen Beleidigung und Störung der Privatsphäre. Ich habe ihr gesagt, dass sie tot ist.» Bechner verzog den Mund zu einer Art Lächeln. «Dann hat sie natürlich auf betroffen gemacht. Mein Gott, so jung noch , die ganze Klischee-Palette.»
    «Schön», unterbrach ihn Beatrice. «Hat sie noch etwas über Ira erzählt?»
    «Nein.» Sichtlich missvergnügt, dass seine Schilderungen nicht auf die erwünschte Resonanz trafen, kippte Bechner den restlichen Kaffee in einem Zug hinunter. «Nur, dass sie steif und fest behauptet haben soll, Hartl sei überhaupt nicht das Bildmotiv gewesen. Sie störe sogar ziemlich. Angeblich hat Sagmeister danach noch ein paar Fotos geschossen. ‹Alles, was mich interessiert, ist dieser Ort hier›, soll sie gesagt haben.» Bechner warf einen intensiven Blick in die Tasse, als wolle er sich vergewissern, dass sie auch sicher leer war, dann stellte er sie etwas zu fest auf den Tisch und ging.
    Dieser Ort hier. Eine Tankstelle. Der Kugelschreiber zwischen Beatrices Zähnen schmeckte ekelhaft metallisch. Sie zog eine Grimasse und suchte nach den Tic Tacs, die irgendwo neben oder unter den Papierbergen auf dem Schreibtisch liegen mussten, fand aber nichts. Symptomatisch für ihre Gesamtsituation. Ihre Augen brannten, und sie drückte die Handballen dagegen.
    Eine Tankstelle als bedeutsamer Ort. Vorsicht. Das war nur eine Option, keine unverbrüchliche Wahrheit, denn natürlich war es möglich, dass Ira die Frau angelogen hatte. Aber angenommen, sie war ehrlich gewesen – gab es eine Parallele zu dem Bild der Parkbank, das sie nicht viel später gepostet hatte? Eine Gemeinsamkeit zwischen den Orten? Auf dem Parkbank-Bild waren keine Menschen zu sehen gewesen, nur Müll. Jemand hatte dort gesessen, aber nun war er fort.
    Gut. Dann könnten wir annehmen, dass jemand an der Tankstelle getankt hat und danach wieder gefahren ist. Oder auch nicht.
    Das alles war reine Spekulation, ohne Chance auf konkrete Ergebnisse. Buchstäblich alles konnte von Bedeutung sein, zum Beispiel auch die Tatsache, dass Ira für ihr Facebook-Posting das Foto gewählt hatte, auf dem Hartl «störte», und keines der anderen, die sie angeblich danach geschossen hatte. Vielleicht hatte sie das Foto nur gepostet, um der Frau, die sie angemotzt hatte, eins auszuwischen, selbst wenn sie den Beitrag nie zu Gesicht bekommen würde. Beatrice hatte keinen Beweis dafür, aber sie fand, diese Theorie passte zu Iras Wut auf die Welt.
    Angenommen, es war trotzdem primär der Ort das entscheidende Element auf dem Bild. Dann war das so, weil … dort etwas passiert war? Ira dort etwas gefunden hatte? Oder etwas … hinterlassen? Hätten sie schon längst die Tankstelle, die Parkbank und all die anderen merkwürdigen Salzburger Fotomotive absuchen sollen? Aber wonach?
    Der Kugelschreiber landete mit einem Knall auf der Tischplatte und rollte über die Kante. Florin blickte auf, griff in seinen Stiftebehälter und reichte Beatrice einen neuen. «Wirf lieber den, der ist schon kaputt.»
    «Ich will endlich Land sehen!» Sie kringelte mit dem zweiten Stift über ihren Schreibblock, aber er funktionierte tatsächlich nicht mehr, und sie beförderte ihn mit Schwung in den Papierkorb neben dem Waschbecken.
    Volltreffer. «Wenigstens das klappt», stellte sie fest und öffnete ihr Notebook. Da sich der verdammte Kossar mit dem Vorbeibringen der Mappe so viel Zeit ließ, würde Beatrice sich Pallaufs und Sagmeisters Postings eben noch einmal vor Ort ansehen und sie eventuell ein weiteres Mal ausdrucken. Wie dumm, dass sie das nicht gleich getan hatte.
    Die Jalousien zerhackten das einfallende Herbstsonnenlicht in schmale Streifen, die sich über Beatrices Schreibtisch legten, leider auch auf den Notebook-Monitor. Eine Schablone aus Hell und Dunkel, die jeweils einige

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