Blinde Voegel
Schritten, die die Fesseln ihr erlaubten. «Zugriff! Schnell! Feuer!»
Hatte Nikola die Fernbedienung? Schlugen die Flammen in Richtung der Bombe? Sie sah es nicht, alles in ihr drängte zum Ausgang, zum Fenster, hinaus, egal, wie.
Ihr nächster Hilfeschrei mischte sich mit Ribars Gebrüll, mit entsetzlichen, unmenschlichen Lauten und einem heftigen, die ganze Halle erschütternden Schlag gegen die Wand. Oder war das die Bombe gewesen? Nein. Noch nicht.
Das Feuer züngelte den Boden entlang, da musste Benzin ausgelaufen sein, Beatrice konzentrierte sich darauf, wich weiter zurück, stolperte, versuchte zu kriechen, doch ohne Hände ging das nicht …
Mit ohrenbetäubendem Kreischen öffnete sich die Metalltür zur Werkstatt, Luft strömte herein, die Flammen schlugen höher.
«Bea!» Es war Florin, der an ihr zerrte, sie zur Türöffnung schleifte, zwischen Männern in Sturmhauben und grüngrauen Overalls hindurch, jemand hatte einen Feuerlöscher, da war ein zweiter, durch das Fenster wurde ein Schlauch gestoßen … Jeden Moment konnte der Sprengsatz explodieren. «An der Wand», schrie sie den Männern von der Einsatztruppe hinterher. «Neben Ribar! Seien Sie …» Das Wort vorsichtig wurde von einem unbezähmbaren Hustenanfall erstickt, der sie blind und taub für ihre Umgebung machte. Sie erwartete die Explosion mit jedem neuen, hektischen Herzschlag. Dann schloss sie die Augen und öffnete sie auch nicht, als sie kühle Erde und feuchtes Gras unter sich spürte.
Drei Krankenwagen standen bereit, ein vierter war schon mit Stefan davongefahren, lange bevor man Beatrice aus der Werkstatt befreit hatte. Seine Verletzungen, hatte Florin sie beruhigt, seien nicht lebensbedrohlich gewesen, aber trotzdem so, dass ihm einige Tage im Krankenhaus nicht erspart bleiben würden.
Beatrice dagegen weigerte sich, in einen der Krankenwagen zu steigen. Sie klammerte sich an Florins Arm fest und wandte den Blick keine Sekunde lang von den Rauchschwaden ab, die aus den Dachbalken der Werkstatt quollen.
Die Bombe war nicht detoniert und längst herausgeschafft worden, die Männer der Sondereinheit waren schnell und präzise vorgegangen, nachdem sie Nikola überwältigt hatten. Jetzt wartete sie darauf, dass sie Ribar brachten. Für sie trug er weiterhin diesen Namen, es würde sich kaum lohnen, sich an einen neuen zu gewöhnen.
«Bea, bitte lass dich durchchecken.» Florin nahm sie um die Schultern, und erst durch die Berührung spürte sie, dass sie zitterte. «Du hast sicher einen Schock, da ist es besser, wenn dich ein Arzt ansieht.» Er drückte sie fester. «Ich will nicht noch einen Fehler machen. Schlimm genug, dass du da reingehen musstest, dass ich es nicht verhindern konnte … ach, Scheiße.»
«Blödsinn», murmelte sie und beobachtete, wie eine Meise sich auf einem Ast niederließ, der bis über die schwelende Halle ragte. Wie sie neugierig den Kopf schieflegte.
Es geht mir gut, dachte sie und nahm einen Schluck Wasser aus der Flasche, die einer der Sanitäter ihr gereicht hatte. Ich bin in Ordnung.
Doch der nächste Windstoß trug den Geruch von Rauch mit sich und einen anderen. Verbranntes Fleisch.
Brüsk befreite sie sich aus Florins Arm, stolperte zwei Schritte zur Seite und übergab sich, bis ihr Magen nichts mehr hergab.
Florin und der Rettungswagen hatten gewonnen. Das Letzte, was Beatrice sah, bevor sich die Türen hinter ihr schlossen, war eine Trage, auf der etwas aus der Halle gebracht wurde, eilig. Jemand hielt einen Tropf hoch.
Er lebte also noch.
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Kapitel zwanzig
E ine Nacht, zur Überwachung. Sie verabscheute Krankenhäuser, doch diesmal war sie wenigstens an der richtigen Adresse. Auf der Intensivstation lag Ribar, und obwohl man sie begreiflicherweise nicht zu ihm ließ, saß sie vor der Schleuse im Warteraum, eingehüllt in einen lächerlichen Frotteebademantel. Wartete auf einen Arzt, der nicht rannte und den sie guten Gewissens für eine Minute aufhalten konnte.
Am Ende war es dann eine Ärztin mit kurzem, grauem Haar, die sich von Beatrice ihren Dienstausweis zeigen ließ. «Wir haben schon mit Ihren Kollegen gesprochen», sagte sie, ein wenig unwillig.
«Ja. Aber ich war dabei, als es passiert ist, ich fühle mich verantwortlich.»
Ein langer Blick auf ihren Ausweis, ein Seufzen. «Sieht nicht gut aus. Über achtzig Prozent der Haut verbrannt, und die Wunden gehen tief. Wir versuchen, was wir können, aber ich kann keine Prognosen
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