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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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reißen und den Körper an seiner Kette in Pendelbewegungen zu versetzen. «Komm mir nicht damit, dass du es nicht warst. Das ist so jämmerlich.»
    Funkgeräte, waren das Funkgeräte, die Beatrice glaubte rauschen zu hören? Kurze, abgehackte Gespräche? Sie wusste es nicht, war nicht einmal sicher, ob sie es sich wünschen sollte, oder ob sie Angst vor dem Zugriff hatte, davor, dass es nicht schnell genug gehen würde. Oder zu schnell.
    Ribar stand wieder auf beiden Beinen, aus seiner Nase lief frisches Blut, gleichzeitig glaubte Beatrice, etwas Trotziges in seiner Haltung zu erkennen. Erstmals konnte sie sich vorstellen, dass dieser Mann in einem Krieg gekämpft und Befehle gegeben hatte.
    «Natürlich hatte ich damit zu tun.» Der Satz kam undeutlich, aber ruhig heraus. «Ich habe Momcilo und Zosim gebeten, dafür zu sorgen, dass das Bild nicht weiter die Runde macht. Sie haben mich gefragt, ob ich ihnen freie Hand lasse, und ich habe ja gesagt.»
    Momcilo und Zosim. Die Nachnamen herauszufinden, würde eine Sache von Stunden sein, vorausgesetzt, Beatrice schaffte es lebend aus dieser Werkstatt, denn nun bückte Nikola sich nach dem Benzinkanister. Fast beiläufig. Schnupperte lächelnd daran.
    Oh Gott. Beatrice riss an den Klebebändern, sie musste das verhindern, vor allem musste sie raus hier, raus. Plötzlich drängte die Angst, die sie die ganze Zeit über gebändigt hatte, wie ein wildes Tier und mit aller Kraft an die Oberfläche.
    «Nicht!», schrie sie. «Sie haben doch, was Sie wollten. Ein Geständnis. Mich als Zeugin. Tun Sie das nicht, bitte.»
    Auch in Ribar war wieder Bewegung gekommen, seine Handgelenke waren vom Zerren an den Fesseln längst wund gerieben, und nun breitete sich scharfer Uringeruch in der Halle aus. Aus seinen Hosenbeinen tropfte es, und Beatrice verstand: Der Mann wusste, wie brennende Menschen aussahen und wie lange ein Feuertod dauerte.
    Nikola beachtete Beatrice überhaupt nicht. Der Kanister war offen, und er entleerte ihn über Ribars Kopf, tränkte seine Kleidung damit, wartete, bis der letzte Tropfen sich vom Rand gelöst hatte. Dann zog er ein Feuerzeug aus der Hosentasche.
    Die Bombe, mein Gott. Ribar brüllte panisch, und Beatrice kam auf die Beine. Trotz des Hockers, der an ihr hing, konnte sie sich aufrichten und kleine Schritte machen. Immerhin.
    Nikola packte sie am Arm. «Bleiben Sie von ihm weg!»
    «Sind Sie blind? Die Bombe liegt direkt neben ihm, wenn sie hochgeht, sind wir alle tot!» Sie schrie die Worte, so laut sie konnte, hoffte, dass man sie bis nach draußen hören und die richtigen Entscheidungen treffen würde, schnell, aber nicht überstürzt. Ribars Schreie hörten sie bestimmt. Mit einem scharfen Ruck befreite Beatrice sich aus Nikolas Griff und stolperte weiter, auf die drahtverkabelte Kiste zu. Die sie nicht wegheben, nur wegkicken konnte. Aber was, wenn sie dann schon detonierte?
    Beatrice suchte Nikolas Blick. Der Mann erwiderte ihn stumm und nickte leicht. «Nur zu.»
    Vielleicht war es das Letzte, was sie je tun würde. Der Puls pochte in ihren Schläfen, in ihrem Hals, hinter ihren Augen, während sie langsam, ganz langsam mit dem rechten Fuß die Kiste verschob. Die ein Stück fortrutschte. Noch ein Stück.
    Der Hocker, der an ihr hing, irritierte sie, machte ihre Bewegungen unstet. Noch ein Stück. Sie roch das Benzin, spürte, wie ihr Schweiß in die Augen lief. Schieben. Vorsichtig. Bis zu dem rostigen Regal, dort ging es nicht mehr weiter. Aber immerhin hatte sie etwa vier Meter zwischen Ribar und den Sprengsatz gebracht.
    Schwer atmend und mit den winzigen Schritten, die ihr das um ihre Oberschenkel gewundene Klebeband erlaubte, ging sie an die Stelle zurück, wo sie zuvor gesessen hatte, blieb diesmal aber stehen.
    Ribar wimmerte jetzt nur noch, seine Lider waren fest zugekniffen, das Benzin tropfte ihm aus dem Haar und von der Nase, er riss die Augen erst wieder auf, als Nikola sein Feuerzeug vernehmlich auf- und zuschnappen ließ.
    «Ich habe Ihnen doch alles gesagt. Bitte. Ich kann nichts rückgängig machen, aber ich kann mich stellen. Ich bin nicht mehr so, wie ich einmal war.»
    Ribar war sicherlich nicht dumm, ihm musste klar sein, dass die Toten der letzten Wochen seine Aussage, er sei mittlerweile ein anderer, nicht sehr glaubwürdig erscheinen ließen. Aber immerhin, Nikola hatte ihn nicht unterbrochen.

    Ein Krachen, von draußen. Das Geräusch eines Lautsprechers, der eingeschaltet wurde. Dann eine Stimme, die Beatrice

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