Blinde Weide, Schlafende Frau
sagte Mizuki.
»Verhält er sich einigermaßen anständig?«, fragte Tetsuko Sakaki ihren Mann.
»Ja, er benimmt sich ganz ordentlich«, antwortete er. »Sakurada passt seit heute Morgen auf ihn auf, und er scheint keine Schwierigkeiten gemacht zu haben.«
»Ja, er war ziemlich brav«, bestätigte Sakurada mit leichtem Bedauern. »Sonst hätte er auch was erleben können.«
»Sakurada war in seiner Studienzeit Kapitän der Karatemannschaft an der Meiji-Universität. Es ist ein vielversprechender junger Mann«, erklärte Abteilungsleiter Sakaki.
»Und wer hat jetzt die Namensschilder aus meiner Wohnung gestohlen?«, fragte Mizuki.
»Dann wollen wir Ihnen den Übeltäter mal vorführen«, sagte Tetsuko Sakaki.
Der Raum hatte eine weitere Tür, die Sakurada nun öffnete. Er betätigte einen Schalter an der Wand, das Licht ging an und er warf einen Blick in das Nachbarzimmer. Er nickte. »Kein Problem«, sagte er. »Bitte, treten Sie ein.«
Abteilungsleiter Sakaki ging vor, seine Frau und Mizuki folgten ihm. Sie kamen in eine Art Abstellkammer ohne Möbel. Es gab nur einen Stuhl, und auf dem saß ein Affe. Er war groß für einen Affen, aber kleiner als ein erwachsener Mensch. Er hatte etwa die Größe eines Erstklässlers. Sein Fell war länger als bei einem gewöhnlichen japanischen Affen und an einigen Stellen schon grau. Sein Alter war schwer zu bestimmen, aber der Jüngste war er sicher nicht mehr. Seine Arme und Beine waren mit einem Strick am Stuhl festgebunden, und sein langer Schwanz hing kraftlos zu Boden. Als Mizuki den Raum betrat, sah der Affe kurz auf und senkte dann wieder den Blick.
»Ein Affe?«, stieß Mizuki hervor.
»Genau«, sagte Tetsuko Sakaki. »Der Affe hat die Namensschilder aus Ihrer Wohnung gestohlen.«
Damit kein Affe es klaut, wenn ich nicht da bin , hatte Yuko Matsunaka gesagt. Dann hat sie also doch nicht nur einen Scherz gemacht, dachte Mizuki. Yuko hatte es geahnt. Kalt überlief es sie.
»Aber woher …?«
»Woher ich das wusste?«, ergänzte Frau Sakaki. »Ich bin eben Profi. Ich habe es Ihnen doch am Anfang gesagt – ich habe eine ordentliche Ausbildung und jede Menge Erfahrung. Man soll die Menschen nicht nach ihrem Äußeren beurteilen. Eine Beraterin, die für wenig Geld in einer öffentlichen Einrichtung arbeitet, muss nicht schlechter sein als Leute, die prächtige Praxen unterhalten.«
»Natürlich nicht. Das weiß ich doch. Ich bin nur so überrascht, und …«
»Schon gut, schon gut, ich mache nur Spaß«, sagte Tetsuko Sakaki und lachte. »Ehrlich gesagt, meine Methoden sind wirklich ein bisschen außergewöhnlich. Deshalb stehe ich auf Kriegsfuß mit Organisationen und Akademien. Ich ziehe es vor, auf meine Art zu praktizieren. Und wie Sie sehen, ist die ziemlich einmalig.«
»Aber äußerst wirksam«, fügte ihr Mann ernst hinzu.
»Und dieser Affe hat die Namensschilder gestohlen?«, fragte Mizuki.
»Ja, er ist heimlich in Ihre Wohnung eingedrungen und hat sie aus dem Karton in Ihrem Wandschrank entwendet. Vor etwa einem Jahr. Genau zu der Zeit, als Sie zum ersten Mal Ihren Namen vergaßen, nicht wahr?«
»Ja, vor einem Jahr.«
»Es tut mir sehr leid.« Der Affe machte zum ersten Mal den Mund auf. Er sprach mit ausdrucksvoller, leiser Stimme. Es ließ sich sogar eine gewisse Musikalität heraushören.
»Er kann sprechen!«, rief Mizuki verblüfft.
»Ja, kann ich«, erwiderte der Affe in unverändertem Ton. »Doch ich muss mich noch für etwas anderes bei Ihnen entschuldigen. Als ich in Ihrer Wohnung war, um die Namensschilder zu stehlen, habe ich mir zwei Bananen genommen. Eigentlich hatte ich nicht vor, außer den Namensschildern etwas zu stehlen, aber ich hatte solchen Hunger, dass ich nicht widerstehen konnte. Die Bananen, die auf dem Tisch standen, sahen so appetitlich aus.«
»So ein verfressenes Subjekt«, sagte Sakurada und schlug ein paar Mal mit dem schwarzen Stock auf seine Handfläche. »Vielleicht hat er noch mehr geklaut. Soll ich ihn ein bisschen ausquetschen?«
»Lassen Sie mal«, bremste ihn Abteilungsleiter Sakaki. »Immerhin hat er den Diebstahl der Bananen freiwillig gestanden. Außerdem sieht er auch nicht wie ein Schurke aus. Wir wollen nicht handgreiflich werden, ehe wir Genaueres wissen. Wenn bekannt würde, dass eine städtische Behörde Tiere misshandelt, gäbe es einen Skandal.«
»Aber warum haben Sie die Namensschilder genommen?«, fragte Mizuki den Affen.
»Weil ich Namen stehlen muss«, antwortete er. »Es ist wie
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