Blinde Weide, Schlafende Frau
geworden. Es war, als würde sich ein dichter Nebel lichten«, sagte Tetsuko Sakaki. »Es musste jemanden geben, der notorisch Namen raubte. Und dieser Jemand musste sich unterirdisch in unserer Gegend versteckt halten. Da sind die Möglichkeiten in einer Stadt natürlich begrenzt. In Frage kommen nur die U-Bahn oder die Kanalisation. Also habe ich meinen Mann gebeten, einmal nachzuschauen, ob sich hier unter der Erde vielleicht irgendein nicht-menschliches Wesen aufhält. Und tatsächlich, sie entdeckten diesen Affen.«
Mizuki fehlten zunächst die Worte. »Das alles haben Sie aus meiner Geschichte geschlossen?«, fragte sie dann.
»Vielleicht gehört es sich für mich als ihren Mann nicht, so etwas zu sagen, aber meine Frau ist kein gewöhnlicher Mensch. Sie besitzt besondere Fähigkeiten«, erklärte Abteilungsleiter Sakaki voller Bewunderung. »In den zweiundzwanzig Jahren unserer Ehe habe ich oft die unwahrscheinlichsten Dinge mit ihr erlebt. Deshalb habe ich mich auch so sehr für diese Beratungsstelle eingesetzt. Ich war überzeugt, dass sie den Bürgern von Shinagawa von großem Nutzen sein könnte, wenn sie einen Platz hat, an dem sie ihre Fähigkeiten einsetzen kann. Nun bin ich froh, dass der Namensdiebstahl sich aufgeklärt hat. Außerordentlich froh. Auch für mich ist das eine große Beruhigung.«
»Was geschieht jetzt eigentlich mit dem Affen?«, erkundigte sich Mizuki.
»Wir können ihn nicht am Leben lassen«, sagte Sakurada unbekümmert. »Er wird von seinen schlechten Gewohnheiten nicht ablassen. Trotz aller Beteuerungen wird er es immer wieder tun. Das Beste ist es, ihn loszuwerden. Wir verpassen ihm eine Spritze mit Desinfektionsmittel, und damit hat sich die Sache.«
»Nun mal langsam«, sagte Abteilungsleiter Sakaki. »Wenn bekannt wird, dass wir, aus welchen Gründen auch immer, ein Tier getötet haben, gibt es bestimmt wieder irgendwelche Proteste, und wir kriegen große Probleme. Erinnern Sie sich noch an das Geschrei, als wir damals diese Krähen beseitigt haben? Einen solchen Aufruhr möchte ich nicht noch einmal erleben.«
»Oh bitte, töten Sie mich nicht!«, flehte der gefesselte Affe und beugte tief den Kopf. »Ich hätte das alles niemals tun dürfen. Das weiß ich ganz, ganz genau. Ich habe den Menschen viele Ungelegenheiten bereitet, und ich will mich auch gar nicht herausreden, aber meine Tat hatte auch ihr Gutes.«
»Und was soll gut daran sein, die Namen von Leuten zu stehlen? Erklär mir das mal«, forderte Abteilungsleiter Sakaki ihn streng auf.
»Ja, ich gestehe es, ich stehle Namen, aber dabei beseitige ich auch einige der negativen Elemente, die ihnen anhaften. Ich will mich nicht rühmen, aber es besteht sogar die winzige Möglichkeit, dass Fräulein Yuko sich nicht umgebracht hätte, wäre es mir damals gelungen, ihren Namen zu stehlen.«
»Und wieso nicht?«, fragte Mizuki.
»Weil ich mit ihm vielleicht etwas von dem Dunkel, das in ihr war, mitgenommen hätte – mitgenommen in die unterirdische Welt«, sagte der Affe.
»Der ist ja aalglatt«, sagte Sakurada. »Ich glaube ihm kein Wort. Sein Leben steht auf dem Spiel, und jetzt greift der Kerl nach jedem Strohhalm.«
»Nicht unbedingt. Der Affe hat vielleicht sogar Recht«, sagte Tetsuko Sasaki. Sie verschränkte die Arme und überlegte eine Weile. Dann wandte sie sich an den Affen. »Wenn du die Namen stiehlst, nimmst du das Gute daran mit, aber auch das Schlechte, richtig?«
»Ja, genau«, sagte der Affe. »Ich kann nicht auswählen. Wenn an einem Namen Schlechtes klebt, müssen wir Affen das auch akzeptieren. Wir können ihn nur als Ganzes übernehmen. Bitte, töten Sie mich nicht. Ich bin zwar ein nichtswürdiger, süchtiger Affe, aber ich bin Ihnen doch auch von Nutzen.«
»Also gut«, sagte Mizuki. »Was gab es denn Schlechtes an meinem Namen?«
»Das möchte ich Ihnen nicht sagen«, wand sich der Affe verlegen.
»Bitte, sagen Sie es mir. Wenn Sie es mir ehrlich sagen, verzeihe ich Ihnen und werde auch die anderen bitten, Ihnen zu verzeihen«, sagte Mizuki.
»Wirklich?«
»Wenn der Affe mir jetzt alles ehrlich sagt, würden Sie ihm dann bitte verzeihen?«, fragte Mizuki Abteilungsleiter Sakaki. »Er ist nicht von Grund auf verdorben und hat schon genug gelitten. Wir sollten ihn anhören, und dann können Sie ihn doch in die Berge, zum Takao oder so, bringen und freilassen. Dann wird er sicher nichts Schlimmes mehr tun. Was meinen Sie?«
»Wenn Sie damit einverstanden sind, habe ich nichts
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