Blinde Zeugen: Thriller
die es gehört haben. Aber wenn du unbedingt dieses alberne Spielchen spielen willst, dann holen wir eben einen Dolmetscher her, und dann verknacken wir dich wegen Behinderung der Justiz. Und wegen Unruhestiftung. Und wegen allem, was mir sonst noch einfällt. Wir haben einen ganzen Haufen unaufgeklärter Einbrüche in den Akten – wie würde es dir gefallen, wenn wir dir ein paar davon anhängen würden?«
» Nie mówi e˛ po angielsku .«
»Bla, bla, bla.« Sie ging zur Tür. »Stecken Sie ihn wieder in seine Zelle, Laz. Morgen versuchen wir’s noch mal mit einem Dolmetscher. Und wir zwei, wir machen heute früher Feierabend und suchen uns irgendeine nette Kneipe mit Biergarten.«
Es war das Beste, was Logan den ganzen Tag gehört hatte.
Um halb acht am Mittwochmorgen war der Vernehmungsraum 3 wie eine Sauna. Der verbeulte Radiator in der Ecke tickte und klonkte ungerührt vor sich hin, obwohl draußen schon die Sonne vom Himmel knallte. Logan und Steel saßen an dem ramponierten Tisch, beide mit einem leichten Sonnenbrand im Gesicht, nachdem sie am Tag zuvor drei Stunden bei Lager und Weißwein an einem Biertisch vor dem Triple Kirks gesessen hatten.
Die Dolmetscherin hockte zusammengesunken auf der anderen Seite des Tischs, dunkle Schweißflecken unter den Ärmeln ihrer Bluse, und wiederholte noch einmal einen Satz, den Logan allmählich nicht mehr hören konnte.
»Er sagt, er weiß nichts.«
Steel ließ die Faust auf die zerkratzte Resopalplatte krachen. »Schluss jetzt mit dem Affentheater – ich will wissen, für wen er arbeitet!«
Die Dolmetscherin seufzte und machte einen neuen Versuch: » Zapyta c´ a: dła kogo pracujesz? «
Der untersetzte Mann mit der plattgedrückten Nase zuckte mit den Achseln und antwortete in verschnupft klingendem Polnisch. Heute Morgen war sein Gesicht ein einziger großer Bluterguss, kreuz und quer mit Heftpflastern beklebt. Kein schöner Anblick.
»Er arbeitet für niemanden. Er ist zu Besuch bei seinem Cousin hier in Aberdeen.«
»Und wieso haben wir ihn dann bei einer Schlägerei vor einem bekannten Treffpunkt für kriminelles Gesocks der untersten Kategorie erwischt? Wieso haben wir unten im Zellentrakt einen Drogendealer, der mir erzählt, dass unsere Knollennase hier versucht hätte, ihn anzuwerben? Für – wen – arbeitet – er?«
»Welche Frage soll ich ihm zuerst stellen?«
»Himmelherrgott noch mal! Wir wissen ganz genau, dass der Kerl Englisch kann –«
Es klopfte an der Tür.
DCI Finnie platzte unaufgefordert herein. »Inspector, auf ein Wort.«
Die Dolmetscherin wartete, bis Steel den Raum verlassen hatte, und fragte dann Logan, ob sie immer so schlimm sei. »Hat sie etwas gegen Polen?«
»Eigentlich nicht, solange sie sie nicht anlügen.«
»Sie müssen es mal aus der Sicht dieser Leute sehen.« Die Dolmetscherin deutete mit dem Kopf auf den Gefangenen. »Unter dem Kommunismus war die polnische Polizei ein Alptraum. Das waren die Handlanger des Regimes, sie ließen Leute verschwinden. Und nach der Wende war sie auch nicht viel besser: korrupt und faul. Deshalb traut dort niemand mehr der Polizei, und das kann man den Leuten ja wirklich nicht zum Vorwurf machen, oder?«
»Kann ich schon, wenn sie …« Logan verstummte und lauschte auf die erhobenen Stimmen, die durch die Tür drangen.
Die Dolmetscherin sah ihn verwirrt an. »Was ist?«
»Schsch!« Er hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Es waren Steel und DCI Finnie, die sich draußen auf dem Flur ein Wortgefecht lieferten.
Steel: »Nix da! Ich werde nicht –«
Finnie: »Das war keine Bitte , Inspector, das war ein Befehl !«
Steel: »Ich bin gerade mitten in einer –«
Finnie: »Sie behindern eine laufende Ermittlung.«
Steel: »Ich mach nur meinen verdammten Job!«
Finnie: »Es ist nicht mehr Ihr Job. Und wenn Sie damit ein Problem haben, beschweren Sie sich doch beim DCS.«
Wütendes Schweigen.
Steel: »Na schön. Dann gehört der Wonneproppen da drin jetzt ganz Ihnen.« Sie riss die Tür auf und starrte Logan finster an. »Pack zusammen. Man hat uns den Fall entzogen.«
Zwei Tage später
5
Logan rutschte auf dem Fahrersitz vor, tippte auf den Aberdeen Examiner auf seinem Schoß und sagte: »Vier waagerecht: ›Ist meist Chefsache, der Schütze tut’s auf Befehl.‹ Sechs Buchstaben, fängt mit FE an, und der vorletzte ist ein R.«
Steel, die gerade ihr Dekolletee einer eingehenden Inspektion unterzog, blickte auf. »Weißt du was«, sagte sie und
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