Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Geburt.
    Das gleiche galt für Littlebourne, stellte er nun erfreut fest, da er rauchend neben seinem Bentley stand und beobachtete, wie der frühe Abendnebel über dem Dorfanger aufstieg, weitertrieb und sich wieder setzte. Beim letztenmal war er zu einer anderen Jahreszeit hiergewesen. Nun war der Dorfanger, um den die Hauptstraße verlief, nicht grün, sondern weißgefleckt und glitzerte im Licht der schwarzen Lampen, die die Straße säumten und blaßgoldene Lichtbögen auf den dunklen Bürgersteig warfen. Trotz der Dunkelheit stellte er fest, daß alles noch an Ort und Stelle war - die Autowerkstatt, die Post, die Läden. Und kam da wirklich Miles Bodenheim aus der Post, wie immer redlich bemüht, das friedliche Dorfleben zu stören? Auf dieser Seite des Angers waren das Pub, ein Süßigkeitenladen, ein Maklerbüro.
    Melrose überquerte die Straße und blieb stehen, um Polly Praeds Cottage anzuschauen. Es stand nicht weit entfernt von der Einmündung der Hauptstraße in die Landstraße nach Hertford. Die gekalkten Wände waren efeuüberrankt, der kleine Vorgarten verwahrlost, hohes Gras kämpfte mit wild wuchernden Hecken.
    Melrose blieb mitten auf dem Dorfanger stehen, zündete sich die Zigarre wieder an und setzte dann seinen Weg fort. Die Fenster von Polly Praeds Cottage leuchteten als warme Lichtrhomben, und als er das Feuerzeug in die Tasche steckte, gingen die Stores in einem der Erdgeschoßfenster auseinander, und Polly erschien. Sie schirmte das Gesicht mit den Händen ab wie jemand, der aus unerfindlichen Gründen meint, er würde nicht gesehen, weil es vor ihm dunkel und hinter ihm hell ist. Sie schaute abwechselnd nach links und nach rechts, versuchte etwas zu sehen, verschwand, und die Vorhänge fielen zu. Fasziniert wartete Melrose. Nun wiederholte sich der Vorgang an einem anderen Fenster. Die Gardinen gingen auseinander, das Gesicht erschien, sie schaute nach rechts, links und verschwand. Melrose stand auf seinen zusammengerollten Schirm gestützt und wartete weiter. Ah, da war sie wieder, diesmal an einem Fenster im Stockwerk darüber, und suchte und suchte.
    Offenbar nach ihm. Es war fünfzehn Minuten nach sieben. Er hatte sich für circa sieben angekündigt, ihr aber gesagt, daß es später werden könne, weil er nicht wußte, wie die Straßen waren. Sah nach Schnee aus. Aber da hatte Polly bestimmt schon abgeschaltet, solche Banalitäten und Unwägbarkeiten interessierten sie nicht. Sie bestand auf Pünktlichkeit. Melrose ging auf der anderen Seite des Dorfangers über die Straße, lief Pollys kurzen Eingangsweg hinauf und hob den Messingklopfer. Keine Antwort. Dann klopfte er noch einmal. Er sah, wie sich der Sekundenzeiger auf seiner Armbanduhr einmal um das Zifferblatt drehte. Immer noch kam niemand. Dann beugte er sich über die Veranda und klopfte mit dem Schirm gegen die Scheibe.
    Endlich ging die Tür auf, und Polly schaute hinaus. »Ach, Sie sind's.« Eine begeisterte Begrüßung.
    »Ja. Hallo, Polly.«
    »Hallo.« Sie brachte ein Gähnen zustande. »Kommen Sie herein.«
    Noch bevor Melrose im Flur war, drehte sie ihm den Rücken zu und ging ins Innere des Hauses. Da fuhr er mit dem gebogenen Griff des Schirms in den Kragen ihres Kleides und zog.
    »Was?« Sie stolperte rückwärts, so nahe, daß er sie umarmen und - da sie ihm immer noch den Rücken zukehrte - auf den Nacken küssen konnte.
    Polly stieß einen mißbilligenden Laut aus und rieb sich die Schulter. »Was machen Sie da?«
    »Ich gebe Ihnen einen Kuß. Immerhin habe ich Sie seit vier Jahren nicht gesehen.«
    Sie ging sofort ins Wohnzimmer und zog ihren Pullover glatt, als hätte er einiges mehr verbrochen, als sie nur auf den Nacken geküßt. »Bitte, lassen Sie das.«
    Polly war durchaus attraktiv, aber unfähig, sich entsprechend zu kleiden. Im Moment trug sie wieder ihre Lieblingsfarben. Eine ganze Palette von Gemüsetönen hätte für sie erfunden werden müssen. Kürbisbrauner Pullover. Der Rock in Aubergine und Grün! Genau die rechte Kombination, damit die Haut wie Kerzentalg und das Haar schlammbraun aussah. Aber dennoch konnte einen nichts von ihren wunderbaren Augen ablenken, die je nach Lichteinfall die Farbskala von Lavendel bis Tiefviolett durchliefen. Augen wie Amethyste.
    Wie kam's, überlegte Melrose, als er sich in dem halbherzig angebotenen Sessel niederließ, daß ihm Frauen (wie trockene Alkoholiker dem Glas Wein) zeigten, daß er sie nicht im geringsten interessierte, und sich gleichzeitig fast ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher