Blinder Eifer
schüttelte den Kopf und hörte Wiggins zu, der ihm was von indianischen Verwünschungen, Hovenweep und den Navajo- und Hopi-Indianern erzählte. Als sie schließlich zum Aufzug kamen, nicht ohne ihren eigenen Tränenpfad hinter sich zurückzulassen, redete Wiggins immer noch. Lillywhite nieste, und Jury bestand darauf, ihr die Blumen abzunehmen. Sie sollte den Rollstuhl schieben, was sie wahrscheinlich sowieso lieber tat. Er stellte zwei Vasen auf Wiggins' Schoß.
». daß die Hope, die sich, wenn Sie sich erinnern wollen, für Archäologie oder Anthropologie interessierte, vielleicht etwas wirklich Wertvolles an einer dieser Grabungsstätten gefunden hat - einen der schwarzweißen Töpfe, für die die Anasazi berühmt sind . « Die Aufzugtüren öffneten und schlossen sich hinter den dreien.
Jury sagte: »Aber was haben Hamilton und Hawes dann damit zu tun? Kommt mir ein bißchen weit hergeholt vor. Doch einerlei, Divisional Commander Macalvie hat mich heute morgen angerufen. Das gerichtsmedizinische Labor in Exeter meint, es sieht ganz nach Nikotinvergiftung aus.«
Das versetzte Wiggins in solche Aufregung, daß er fast aus dem Rollstuhl flog, als er aus dem Lift geschoben wurde. »Lieber Gott, Sir ...« Dann wühlte er in dem Büchersack, bis er das Gesuchte fand. »Ed McBain! Das habe ich erst gestern abend zu Ende gelesen.« Er nahm ein Taschenbuch in die Hand und wedelte damit herum. »Todeskuß. Da drin kommt es vor. Ich sage Ihnen ja immer wieder, was für ein pfiffiger Schreiber er ist. In reiner Form ist Nikotin tödlich. Sie können das Zeug aus dem Tabak von Zigaretten gewinnen. Das kann jeder. Man kann es verflüssigen und dem Opfer ins Essen oder Trinken mischen.«
Als sie durch die automatischen Glastüren auf den Bürgersteig gelangten, fragte Jury: »Und wie verabreicht Mr. McBain es?«
Schwester Lillywhite ging zum Taxistand, um einen Wagen zu besorgen.
»Hm, das sollte ich lieber nicht erzählen, weil Sie es ja vielleicht mal lesen wollen.«
Jury schloß die Augen. Zähneknirschend sagte er: »Ich lese es nicht, Wiggins, ich mache mir nichts aus Kriminalromanen. Wie also?«
»Sie sollten mehr lesen, Sir, wenn ich das mal sagen darf. Vom vielen Fernsehen kriegt man ein faules Gehirn.«
»Gegen Hirnfäule haben Sie doch bestimmt ein Kraut in diesem Rasierbeutel.« Und so, wie Wiggins eben mit dem Buch gewedelt hatte, wedelte Jury nun mit dem Beutel herum. »Also?«
Aber Wiggins blieb eisern. »Ich möchte es nicht aus der Hand geben.«
Wenn er nicht mit einem ganzen Gewächshaus Blumen beladen gewesen wäre, hätte Jury ihm am liebsten eine runtergehauen, Rollstuhl hin oder her.
Zum Glück kam Schwester Lillywhite mit dem Taxi, und es folgte ein rührseliger Abschied. Jury trat bei dieser Neuinszenierung von In einem ändern Land dezent zur Seite. Er wußte nicht, was er dringender wollte: eine Zigarette oder ein Wort von Plant über diese unverschämte Nachricht. Wenn in London, wo in London? Als sei die Antwort in Wiggins' Rasierbeutel, zog er den Reißverschluß auf. Er mußte zugeben, in gewisser Weise war er von den Heilmittelchen des Sergeant fasziniert. Man wußte nie, was man fand. Ein paar Medikamente, die ihm im Krankenhaus verschrieben worden waren, hatte er mitgehen lassen. Diese Flaschen sahen noch am wenigsten abenteuerlich aus. In den anderen Gläschen befand sich seltsames vertrocknetes Zeugs, das in Gärten wuchs, in die Jury nie einen Fuß setzen wollte. Auch die Krankenhausmedikamente schaute er sich finster an. Was, zum Teufel, war .?
Und dann sah er die Nummer: 431455. Jury schau-te in die Fulham Road, ohne etwas wahrzunehmen. Was, wenn es eine Rezeptnummer war? Was, wenn -? Schwester Lillywhites Stimme riß ihn aus seinen Gedanken. Sie winkte ihn zum Taxi.
Wiggins, die Blumen, Bücher und das restliche Sammelsurium waren schon verstaut. Jury stieg ein, das Taxi fuhr los, Wiggins winkte verzückt aus dem Rückfenster, und Schwester Lillywhite wurde immer kleiner, bis sie schließlich nur noch ein weißer Fleck in der Ferne war.
Jury sagte: »Schluß mit Stromkabeln und Wasserschüsseln, Wiggins, ist das klar?«
Bockig schaute Wiggins aus dem Seitenfenster und antwortete nicht.
44/I
Erstaunlich, wie wenig sich ein englisches Dorf über die Jahre veränderte. Bis auf Theo Wrenn Brownes Buchhandlung und Mr. Jenks' Reise-/Maklerbüro sah ja auch Long Piddleton keinen Deut anders aus als während all der Jahre, die Melrose dort gelebt hatte, im Grunde seit seiner
Weitere Kostenlose Bücher