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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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der einzige war, der seine Dienste in Anspruch nahm. Jury war seit langem der Meinung, daß Wiggins unterschätzt wurde. Die Kollegen betrachteten ihn mit seinen Pillen und Quacksalbereien eher als lästige Bürde und übersahen völlig, daß genau diese Schrullen Wiggins' Wert ausmachten. Zeugen redeten zum Beispiel oft bereitwilliger mit Wiggins als mit anderen Beamten, weil sie vergaßen, daß sie einen solchen vor sich hatten. Man diskutierte die Tatsache, daß man zusätzliche zwei Pence von der Sozialhilfe ergaunert hatte, eben genauso ungern mit einem eiskalten Kriminalbeamten wie ein ausgenudeltes Knie mit Arnold Schwarzenegger.
    Das Telefon klingelte, Wiggins nahm ab, hörte zu und sagte: »Ja, ich erzähl's ihm.«
    »Erzählen mir was?«
    »Fiona. Sie ist wirklich völlig aufgelöst. Der Chef droht, Cyril abholen zu lassen.«
    »Damit droht er schon seit Jahren.«
    Ungeduldig sagte Wiggins: »Ja, aber diesmal hat er den Kater in einem Käfig eingeschlossen und Fiona gesagt, sie soll beim Tierschutzverein anrufen, damit er abgeholt wird. Ich habe es Ihnen ja auf einen Zettel geschrieben. Haben Sie den nicht gesehen?«
    »Vergessen Sie nicht, daß ich nicht hier bin. Liegt wahrscheinlich bei den Sachen, die ich weggepackt habe. Dachte, Racer wollte mich sehen, nicht Fiona.« Wie ein Motorradbulle schien Racer immer darauf zu lauern, daß Jury durch den Straßenabschnitt raste, wo er die Geschwindigkeitskontrollen durchführte. Die Radarfalle konnte jederzeit zuschnappen.
    Ehe Füße auf dem Schreibtisch, fragte Jury: »Dann fahren Sie nach Manchester?« Manchester war Wiggins' einziger Zufluchtsort.
    Wiggins nickte ingrimmig.
    »Ferien kann man das ja wohl kaum nennen.« Bei Wiggins' Schwester samt Kinderchen. Jury wußte genau, wie es war. Er selbst hatte eine Cousine mit Kindern in Newcastle. Das hatte genausowenig mit der Provence oder mit Saint Kitt gemein wie Manchester. Die Kollegen drängten Wiggins immer, mal Ferien in der Sonne oder im Schnee zu machen. Schwimmen Sie, Wiggins! Laufen Sie Ski, Wiggins. Genausogut hätte man ihm die Wahl zwischen Hautkrebs und Beinbruch geben können. Warum die Leute immer meinten, sie wüßten alles besser, dachte Jury und ließ sich von Wiggins' Deprimiertheit anstecken. Er sah ihn geradezu vor sich, wie er einsam und allein an einem fremden Strand oder auf einem fremden Berggipfel stand.
    Er sprang auf und riß seine Jacke vom Stuhl. »Ich geh rüber zum Starrdust, Wiggins. Besuche Carole-anne. Das heißt, wenn Ihre Herrlichkeit heute arbeitet.« Sergeant Wiggins liebte den Starrdust in Covent Garden. »Kein amtlicher Besuch, aber wenn Sie wollen, können Sie mitkommen.«
    Wiggins seufzte. »Nein, Sir, ich muß die Schreibarbeit zu dem Restaurantbesitzerfall in Soho machen.«
    Die Schlitzaugen-Kneipengeschichte, wie sich Racer immer auszudrücken beliebte, war ein Dauerbrenner und lief seit Jahren. Jury ging zu dem kleinen Waschbecken.
    »Aber wollen Sie denn gar nichts wegen Cyril unternehmen?« fragte Wiggins besorgt.
    »Doch.« Jury betrachtete das Kabel, um zu sehen, wie lang und wo es angeschlossen war.
    »E ha' Cy'il ein'esp't?«
    Fiona Clingmores Aussprache war leicht beeinträchtigt, weil sie sich ein weißes Taschentuch vor den Mund preßte. Auf dem Schreibtisch lagen Konturen- und Lippenstift sowie ein Spiegel, mit Hilfe derer sie die durch die Tränen verursachten Schäden ausbessern wollte.
    Jury stand an dem Trinkwasserbehälter und sagte: »Keine Bange, Fiona. Es wird schon alles gut.«
    Fiona heulte auf und nahm das Taschentuch weg. »Diesmal meint er es ernst. Ich soll den Tierschutzverein anrufen.«
    »Hallo, Cyril«, sagte Jury.
    In königlicher Haltung, den Schwanz um die Pfoten gerollt, saß der Kater Cyril in dem Drahtkäfig und beobachtete den Wasserbehälter. Er mochte die Blasen, die entstanden, wenn jemand ihn benutzte. Der Pappbecher unter dem Hahn, der normalerweise voll Wasser war, bot immer reichlich Möglichkeiten zum Experimentieren.
    »Er hat einen Tobsuchtsanfall.«
    Aha, Racer hatte einen Tobsuchtsanfall. »Sonst was Neues?«
    Jury ging in Racers Büro.
    »Was, zum Teufel, wollen Sie denn hier, Jury?« Zwei Minuten später erschien Chief Superintendent Racer. Sofort fiel sein Blick auf die Schüssel am Rand des Tischs. »Und was, zum Teufel, macht eine Schüssel voll Wasser auf meinem Schreibtisch?«
    »Es ist eine Mausefalle.« Jury legte das aufgerollte Kabel daneben. Dann räusperte er sich. »Nicht nur eine Schüssel mit Wasser.

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