Blinder Einsatz

gefestigt.
    Constance und Eline Haarmet sahen sich beim Prozess wieder. Die Europakommissarin schlug ihr vor, in Brüssel anzufangen. Constance, vom Zynismus und von der Kälte der Welt angewidert, lehnte ab. Es fiel ihr schwer, einen Schlussstrich unter ihre Erlebnisse zu ziehen. So nahm sie sich ein Jahr Auszeit und ging mit Hugh auf Reisen.
    Im Prozess wurde unter anderem festgestellt, dass Hugh eines der ersten Opfer der Machenschaften von Kramer geworden war. Die Untersuchung brachte an den Tag, dass er zufällig die Schmiergeldzahlungen, die über das Online-Poker geleistet wurden, entdeckt und den Code teilweise entschlüsselt hatte. Einen Tag nachdem er sich in den zugehörigen Chat eingeschaltet hatte, hatte man ihn entführt. Es war für Kramer, den Betreiber der Poker-Site, ein Leichtes gewesen, ihn anhand seiner Mitgliedsdaten ausfindig zu machen. Angesichts seiner Hartnäckigkeit und der Tatsache, dass er die Sache mit Judith und der Herzdame halb durchschaut hatte, hatte man es bei Kramer mit der Angst zu tun bekommen. In einem ähnlichen Anfall von Panik hatte Kramer auch beschlossen, gegen Will vorzugehen. Die Entführer waren in seine Wohnung auf dem Universitätsgelände eingedrungen. Sie sollten ihm nur Angst einjagen und seinen Computer stehlen, um alle Spuren zu verwischen. Doch die Aktion war aus dem Ruder gelaufen, was zum Tod von Will und mehreren anderen Studenten auf dem Campus geführt hatte. Die Medien hatten die Tat einem Amokläufer zugeschrieben, doch in Wahrheit gingen auch diese Toten auf das Konto von Kramer.
    Nach dem Prozess gab Noah Crouch seinen Beruf als Finanzanalyst auf und verließ London. Er reiste ziellos in der Welt umher, um der Leere seines Lebens und den Schuldgefühlen zu entfliehen, die ihn seit dem Tod von Philippe erfüllten. Er hatte in seinem Job bereits genug Geld gemacht, um sich irgendwo an einem Strand dem Alkohol und dem Müßiggang zu ergeben. So verbrachte er mehrere Monate in Colonia del Sacramento in Uruguay, einem friedlichen, verschlafenen Ort, und starrte dort in die braunen Wasser des Rio de La Plata. Doch da gab es nichts, was seine Ängste linderte. Schließlich kehrte er nach England zurück und eröffnete einen Pub am Stadtrand von Leeds. Er nahm wieder Kontakt mit seiner Familie und den Freunden aus seiner Kindheit auf. Bis heute kann er nicht in den Spiegel schauen, wenn er an seine Verantwortung für den Tod von Philippe denkt. Er kann nicht vergessen, dass er Philippe dazu ermutigt hat, die Informationen über den Domainnamen rücksichtslos auszunutzen, was Kramer provoziert und letztlich das Todesurteil für seinen Freund bedeutet hat.
    Nach seiner Rückkehr nach Amsterdam musste sich Sander Erwin mehrere Monate den Spott seiner Kollegen gefallen lassen. Er war ohne neue Informationen über den Tod von Lars Loy zurückgekehrt. Das Einzige, womit er sich brüsten konnte, war, dass er im Augenblick des großen Attentats beim Main Event der WSOP in Las Vegas gewesen war. Die Lage änderte sich völlig, als der Name Lars Loy wiederholt im Zusammenhang mit Artikeln über die Affäre Kramer fiel. Die Presse hatte bald herausgefunden, dass er in diesem diabolischen Plan als Versuchskaninchen missbraucht worden war.
    So nahm Sander seine Untersuchung wieder auf. Wie er nicht müde wurde zu betonen, hatte er von Anfang an daran gezweifelt, dass das Ehepaar Loy bei einem simplen Einbruch ermordet worden war. Er versäumte es auch nicht, sich gehörig ins Rampenlicht zu stellen und die Journalisten ausführlich auf die Verbindungen zwischen dem Verbrechen in Bloemendaal und der internationalen Verschwörung hinzuweisen, die die Welt in Atem hielt. Sander wurde von seinen Vorgesetzten mit Lob und von seinen Kollegen mit Bewunderung bedacht. Sein Scharfsinn ersparte der Versicherung Meert & Lodden beinahe 500 000 Euro, denn sie konnte nun vor Gericht beweisen, dass die Tat von Lars Loy eine Folge der Sucht war, die Kramer bei dem Studenten erzeugt hatte. Derzeit absolviert Sander ein Jurastudium. Er möchte in Zukunft als Ermittler arbeiten und sich nur noch auf seinen Instinkt verlassen. Endlich braucht er sich von seinen Kollegen keine spöttischen Bemerkungen und dummen Sprüche mehr anzuhören.
    Jane Kramer wurde auf einer Karibikinsel aufgespürt und verhaftet. Sie war aus den USA geflohen, noch bevor die Enthüllungen von Alexander Schlagzeilen machten.
    Die Wochen ihrer Flucht waren eine einzige aufreibende Odyssee gewesen. Während des Prozesses