Blinder Einsatz
erwartete die Meldung mit einer gewissen Spannung und hoffte inständig, dass alles glattgehen würde. Doch es kam alles anders als erwartet. Während des Finales des Main Event fielen Schüsse. Das war von mir nicht vorgesehen gewesen. Aber Jane Kramer hatte meine Idee mit dem Bombenalarm nicht überzeugt, weshalb sie ohne Rücksprache mit mir eine schärfere Aktion angeordnet hatte. Die Leute, die ich beauftragt hatte, um die Bomben in den Casinos zu platzieren, hatten von Jane Kramer neue Anordnungen erhalten. Einige der Bomben sollten nun tatsächlich explodieren, und es waren Söldner gedungen worden, die in den Casinos auf die Spieler schossen. Das waren nicht mehr Mitch Hartwell und seine Leute, für die war diese Aktion dann doch eine Nummer zu groß. Jane hatte richtige Profikiller engagiert. Offenbar hatte sie sich dem Druck der Aktionäre nicht mehr gewachsen gefühlt und jeden Sinn für die Realität verloren.
Jane hatte mich einfach übergangen.
Die Folgen dieser Schießerei und der weiteren Anschläge in den anderen Casinos ließen nicht lange auf sich warten: Fast siebzig Prozent der Spieler betraten kein Casino mehr, und es war nicht schwierig, sie auf unsere Internetseiten zu locken. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen. Und die Werbekampagne für Doc Fountain war erfolgreich gestartet: Das »Getränk für Spiel und Spaß« war allgegenwärtig. Unser Projekt entwickelte sich prächtig.
Doch die Casinobetreiber brauchten nicht lange, um die Frage zu beantworten, wer von diesen Verbrechen profitierte: natürlich die Anbieter von Online-Poker. Da half es wenig, dass wir unsere Investitionen durch komplizierte Finanztransaktionen zu kaschieren versuchten: Bald hatten sie herausgefunden, dass wir hinter den Anschlägen steckten.
Der Sohn des Generaldirektors von Kramer wurde enthauptet in Boston gefunden, der Sprössling seines Stellvertreters mit einer Armbrust in der Schweiz getötet. Als ich dann am nächsten Tag einen Anruf bekam, wusste ich sofort, was geschehen war. Meine Tochter war auf grausame Weise ermordet worden. Der Schmerz überwältigte mich. Doch dann stiegen Zorn und Verzweiflung in mir auf. Ich selbst hatte meine Tochter auf dem Gewissen. Die Umstände der Tat ließen keinen Zweifel: Man hatte ihr das Herz herausgeschnitten und auf den Körper gelegt. Als die Polizei mir das schilderte, verstand ich sofort. Dahinter steckte eine Botschaft: Spielkartensymbole. Nun begriff ich auch, was die anderen Morde bedeuten sollten. Der erste in Boston bezog sich auf die Farbe Pik, deren Symbol die Hellebarde war. Die Verwendung einer Armbrust beim Mord im schweizerischen Rolle sollte für die Spielfarbe Karo stehen: Im Französischen heißt der Bolzen, den eine Armbrust verschießt, carreau. Hinzu kam noch die grausame Ironie, dass man dem ermordeten Jungen ein Schweizer Fünffrankenstück in den Mund legte, auf dem Wilhelm Tell abgebildet ist. Fehlte noch eine Farbe: Kreuz. Urspünglich stellte das Symbol ein Kleeblatt dar, das Symbol des Geldes. Die Casinobetreiber hatten uns damit eine klare Botschaft übermittelt: Sie wollten das Geld wiederhaben, das wir ihnen ihrer Ansicht nach gestohlen hatten. Wir hatten uns in ein Revier vorgewagt, in dem wir offenbar nicht bestehen konnten. Und ich war in gewisser Weise zum Mörder meiner Tochter geworden. Kramer Investment entschloss sich zu zahlen, bewahrte aber das Geheimnis des Wirkstoffs. Die Casinobetreiber gaben sich mit einer Summe zufrieden, die angesichts unserer Gewinne geradezu lächerlich war. Sie hatten unser Projekt offenbar nicht in seinem vollen Umfang verstanden. So konnten wir es ungestört fortsetzen, wenn wir auch auf weitere spektakuläre Aktionen verzichteten. Doch die von uns provozierte Spielsucht sorgte für viele persönliche Katastrophen, stürzte manchen in den finanziellen Ruin, zerstörte Ehen, löste Familiendramen aus.
Jane Kramer sah ein, dass ich ihr nicht mehr helfen konnte. Ich nahm meine Trauer zum Anlass, mich aus dem Unternehmen zurückzuziehen. Wie hatte sie so einfach ganz allein diese Attentate beschließen können, nur um noch höhere Gewinne zu erzielen? Die skrupellosen Aktionäre hatten auf der ganzen Linie gesiegt. Ich fand nirgends Unterstützung. Einige wenige Bekannte riefen mich an, um mir ihr Beileid auszusprechen. In dieser Situation wurde mir bewusst, dass ich nie in meinem Leben wirkliche Freunde gehabt hatte.
Diese Geschichte aufzuschreiben verschafft mir keine Erleichterung, ganz im
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