Blinder Hass
mal, was Sie haben«, sagte Pirelli schließlich.
Was sie hatten, waren größtenteils Mutmaßungen, dazu ein paar Namen und einige Hintergrundinformationen. Sie schilderten kurz die Geschichte vom Betrug mit der Jerusalem-Artischocke und erwähnten, dass alle glaubten, Judd senior habe irgendwo ein geheimes Konto. Dass Judd junior sich in einer ernsthaften finanziellen Notlage befand und dass diese durch den Tod seines Vaters eher schlimmer und nicht besser wurde. Und dass Junior möglicherweise Geld von dem geheimen Konto unterschlug.
»Warum hat er dieses Geld nicht einfach behalten, statt sich auf diese Äthanol-Geschichte einzulassen?«, fragte Pirelli.
»Dafür könnte es zwei Gründe geben«, sagte Virgil. »Erstens könnte nicht mehr genug Geld auf dem Konto gewesen sein, jedenfalls nicht genug, um all seine Schulden zu decken und ihm eine gewisse Sicherheit zu geben. Er ist schließlich auch nicht mehr der Jüngste. Zweitens kommt das irgendwo von einem Bankkonto, also gibt es belastende Unterlagen. Es ist heutzutage nicht mehr so einfach, alles in bar zu machen … Die Leute wollen Schecks, Überweisungen und finanzielle Kontrollen. Es sieht so aus, als hätte der alte Judd einiges an Startkapital für eine Äthanol-Fabrik beigesteuert. Die produzieren auch tatsächlich etwas Äthanol und verkaufen es vermutlich, aber wir glauben, dass sie nebenbei eine kleine Chemiefabrik betreiben.«
»Es würde mich nicht wundern, wenn die in der Nähe der Fabrik ein Stück Land besitzen, um den Mais anzubauen, den sie verarbeiten«, sagte Stryker. »Dann könnten sie ohne krumme Touren die ganzen Chemikalien bestellen, die sie brauchen. Und der Geruch von der Meth-Herstellung würde als Gestank von der Äthanol-Fabrik durchgehen.«
»Aber im Grunde gibt es keine konkreten Hinweise, dass diese Äthanol-Fabrik irgendwas mit Meth zu tun hat«, sagte einer der Agenten.
»Das hängt wohl davon ab, wie viel Fantasie man hat«, erwiderte Virgil. »Wir haben hier mehrere Tote. Wir haben einen durchgeknallten Prediger, der mit den Corps in Verbindung steht. Wir haben einen Typ, der dringend Geld braucht. Wir wissen, dass die tankwagenweise anhydrisches Ammoniak kaufen und dass sie tankwagenweise Alkohol herstellen. Dann haben wir ein paar harte Burschen, die nachts kommen und gehen und Zwanzig-Liter-Kanister Benzin mitnehmen. Diese Typen könnten auch für die Beschaffung der schwer erhältlichen Chemikalien zuständig sein. Man braucht nur einen Trottel von Fahrer, der in einem Stadtgebiet rumfährt und in jedem möglichen Laden eine Packung Diätpillen kauft, und man kriegt jeden Tag etliche Pfund von dem Zeug zusammen. Wenn man zehn trottelige Fahrer hat, die das in zehn verschiedenen Städten machen, kann man in einer Woche eine ganze Tonne zusammenkriegen. Wir wissen, dass sie über die Corps Verbindung zu einem Vertriebssystem haben. Das könnte außerdem ein Beschaffungssystem für den anderen Kram sein, den sie brauchen. Ich meine, vielleicht verkaufen sie das Äthanol ja als illegal gebranntes Zeug für fünf Dollar den Liter; aber das möchte ich bezweifeln.«
»Wenn das also alles nur kleine Ganoven sind, wie kann dieser Typ sich dann eine Äthanol-Fabrik leisten?«, fragte ein anderer Agent.
»Haben Sie mal eine gesehen?«, fragte Stryker. »Eine Äthanol-Fabrik, meine ich.«
Der DEA-Mann schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste.« »Es gibt Äthanol-Fabriken, die sehen aus wie Getreideaufzüge. Das heißt, eigentlich sehen die meisten so aus. Und die neuen sehen aus wie kleine Raffinerien. Aber ein paar von den älteren, die so drei, vier, fünf Jahre alt sind, sehen aus wie eine große Garage. Eine Äthanol-Fabrik ist im Grunde eine Brennerei. Was die machen, ist illegal gebranntes Zeug, nichts anderes.«
»In den letzten zwei Jahren ist das Gebiet zwischen dem Mississippi und den Rocky Mountains förmlich mit Meth überschwemmt worden«, sagte Pirelli. »Das meiste davon geht nach Dallas-Fort Worth, San Antonio und Houston. Hartes Zeug, ganz weiß, nicht dieses braune Zeug, das aus Kaffeekesseln kommt. Wir haben wie verrückt nach der Quelle gesucht. Eine Möglichkeit ist, dass es etwas mit den Corps zu tun hat. Die Typen, die mit mehr als ein paar Gramm handeln, gehören alle dazu.«
»Was ist eigentlich mit Dale Donald Evans?«, fragte Stryker. »Der sollte doch mittlerweile zu Hause sein.«
Pirellis Augenbrauen gingen in die Höhe. Er zog ein Handy aus seiner Jackentasche, scrollte und
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