Blinder Hass
weiteren zwanzig Minuten hatte sich das Gewitter größtenteils verzogen, und der Wind hatte gedreht, so dass sie sich nun mit dem Rücken dazu hinhocken konnten.
»Wir wussten ja, dass es wahrscheinlich reine Zeitverschwendung ist«, sagte Stryker.
»Ja, aber wenn man schon hier rausgefahren ist, erwartet man irgendwie doch, dass was passiert, schon allein weil man sich die Mühe gemacht hat.«
»So funktioniert das aber nicht, du junger Hüpfer.«
»Die Sonne geht so gegen halb sechs auf«, sagte Virgil.
»Dann sollten wir zwanzig Minuten vorher hier weg sein.«
Virgil sah auf seine Uhr. »Noch nicht mal drei.«
»Dann bleiben wir noch zwei Stunden. Vielleicht können wir ein bisschen schlafen.«
»Hier werd ich bestimmt nicht schlafen …«
Es hatte aufgehört zu regnen, der Wind hatte nachgelassen, und das Gewitter verzog sich nach Osten. Virgil hatte bereits jede Hoffnung aufgegeben, irgendwas Nützliches zu erfahren, als er von Süden Scheinwerfer sah, die sich hüpfend die Straße heraufbewegten. Soweit er wusste, war Feurs Haus das einzige in dieser Richtung. Er stieß Stryker an, der den Kopf gesenkt hatte und vielleicht sogar schlief. Strykers Kopf fuhr hoch. Er sah die Scheinwerfer. »Wer ist das?«, fragte er.
»Ein Frühaufsteher«, sagte Virgil.
Beide waren ganz steif geworden, deshalb standen sie auf und streckten sich. Das Buschwerk schützte sie, so dass man sie selbst mit einem Nachtsichtglas nicht hätte sehen können. Sie beobachteten, wie ein Pick-up-Camper langsam auf den Hof von Feurs Farm fuhr und dann gegen den Geräteschuppen zurücksetzte.
Der Fahrer stieg aus und ging zum Haus hinüber, wobei er mitten auf dem Platz einer großen Pfütze auswich. Dann stand er auf der Veranda und wartete. Lichter gingen an, und eine Minute später wurde der Fahrer ins Haus gelassen. »Gehen wir mal nachsehen, wer das ist«, sagte Stryker.
Noch einmal krochen sie auf Knien und im Entengang durch die Büsche bis zur Rückseite des Schuppens, richteten sich dort auf und gingen an einer Seite entlang. Der Fahrer hatte nur etwa einen halben Meter von der vorderen Tür entfernt geparkt.
»Sollen wir’s riskieren?«, fragte Virgil.
»Das Licht ist auf der anderen Seite vom Haus an … Ich denke, sie sind dort beschäftigt.«
»Dann gib mir Deckung.«
Stryker ging mit dem Sturmgewehr in Position, und Virgil kroch dicht an der Tür vorbei bis hinter den Truck. Missouri-Nummernschilder. Er hörte ein Klappern und erstarrte. Nichts. Er kramte in seiner Tasche, fand einen Stift und schrieb sich die Autonummer auf die Handfläche und dann noch einmal auf den Unterarm.
Er wollte gerade zurückkriechen, als ihm ein Gedanke kam. Er hatte vor kurzem an seinem Truck die Lichtkabel für die Anhängersteckdose erneuert, und wenn das bei diesem Dodge so ähnlich funktionierte wie bei ihm …
Er tastete eine Minute lang herum, dann riskierte er es, für einen Moment unter dem Wagen die Taschenlampe anzumachen. Entdeckte die Kabel, bekam sie zu fassen und zog mit aller Kraft so lange daran, bis sich irgendetwas löste. Dann riskierte er einen zweiten Blick mit der Taschenlampe - beim ersten Mal war ja auch nichts passiert - und sah blankes Kupfer an zwei Kabelenden.
Das sollte reichen, dachte er.
Dann bellte der Hund. Ein Mal.
In dem Truck war ein Scheißhund, und zwar kein kleiner.
Er sagte laut: »Ich komme«, und kroch an der Vorderseite des Schuppens vorbei zurück in die Dunkelheit neben Stryker. Der Hund bellte erneut, diesmal mehrere Male.
»Was zum Teufel sollte das denn?«, flüsterte Stryker, als sie sich im Entengang zurückbewegten. Der Hund hatte wieder zu bellen angefangen, doch das Geräusch wurde durch das Fahrerhaus des Trucks gedämpft, und niemand kam heraus. Nach fünfzig Metern richteten sie sich auf, gingen aber immer noch vornübergebeugt; nach hundert Metern wagten sie, sich ganz aufzurichten, und gingen eilig weiter. Sie fanden ihr Versteck wieder und ließen sich dort nieder.
»Ich hab an den Kabeln rumgefummelt«, sagte Virgil. »Falls wir herausfinden, wer der Typ ist … ich fürchte, er wird wegen eines Verkehrsdelikts belangt werden. Wenn uns das irgendwie weiterhilft.«
»Ein Verkehrsdelikt?«, fragte Stryker.
»Ich hab die Kabel an einem Rücklicht rausgezogen«, erklärte Virgil.
»Das kommt auf sein Punktekonto«, sagte Stryker.
»O ja.«
In der nächsten halben Stunde passierte nichts im Haus, dann ging die Tür auf, und drei Männer, einer davon
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